Annette Rose ist Gerichtsreporterin unter anderem für die Neue Presse Hannover. Und sie geniesst hier regional einen ähnlich guten Ruf wie Gisela Friedrichsen übrerregional für ihre Artikel im Spiegel – und sie wird von interessierten Kreisen für ihre engagierte Arbeit ähnlich häufig unsachlich angegriffen wie ihre hamburger Kollegin derzeit für deren ausgewogene Berichterstattung über den Fall Kachelmann.
In der heutigen Ausgabe der NP berichtet Frau Rose über den derzeitigen Stand des Entschädigungsverfahrens, welches 2 Männer gegen das Land Niedersachsen führen, weil sie 1352 bzw. 1989 Tage zu Unrecht im Gefängnis gesessen haben.
Was war passiert? Ein Vater und sein Nachbar waren wegen Misbrauchs- und Foltervorwürfen zu Lasten einer Schülerin zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden – bei dem Vater des Mädchens waren es 5 Jahre und 8 Monate, bei dem Nachbar sogar 12 Jahre und 8 Monate.
Noch während des Prozesses und insbesondere anlässlich des laufenden Revisionsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft Hannover angeblich massive Verdachtsmomente, dass das mutmassliche Opfer psychisch krank und ihre Aussage unglaubwürdig war, zurückgehalten; auch verschwieg die Staatsanwaltschaft angeblich aus ermittlungstaktischen Gründen den Umstand, dass weitere massive Vorwürfe, die das Mädchen erhob, sich als unwahr herausstellten, und unternahm auch jahrelang nichts zugunsten der inzwischen Verurteilten, um die erheblichen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Verurteilungen aufzuklären.
Erst Anfang 2008 erreichte der hamburger Rechtsanwalt Johann Schwenn, der aktuell den bekannten Wettermoderator Jörg Kachelmann in einem Prozess wegen einer angeblichen Vergewaltigung vor dem Landgericht Mannheim verteidigt, ein Wiederaufnahmeverfahren, in dem die beiden Männer letztendlich freigesprochen wurden.
Jetzt läuft das Entschädigungsverfahren; das insoweit haftende Land Niedersachsen zahlte bisher pro erlittenem Hafttag 25,00 EUR aus, dementsprechend an den einer der zu Unrecht Verurteilten 33.800,00 EUR, an den anderen 49.725,00 EUR. Weiterhin erhielt der jüngere der beiden eine Abschlagzahlung auf weitergehende Schäden, deren Höhe aber nicht bekannt ist.
Tatsächlich aber sollen sich die realistischen Forderungen der beiden Männer auf insgesamt rund 400.000,00 EUR belaufen. Rechtsanwalt Johann Schwenn dazu: „Es wird teuer, wenn man nicht sauber arbeitet.“ Doch natürlich trifft die Entschädigungszahlung nicht diejenigen, die vor Ort unsauber gearbeitet haben, sondern den Steuerzahler – der ja auch schon die Kosten für den jahrelangen Gefängnisaufenthalt der Freigesprochenen zu zahlen hatte.
Doch egal, wie hoch die Entschädigungszahlungen sein werden: den persönlichen Schaden für die beiden Männer wird das Geld niemals aufwiegen können! Und der Schaden für das Rechtssystem und dessen Glaubwürdigkeit ist sowieso unbezahlbar.
Der Staatsanwaltschaft Mannheim und dem dortigen Landgericht kann man eigentlich nur nahelegen, sich den Fall in Hannover sehr genau anzusehen – zumal die Schadenersatzforderungen eines Herrn Kachelmann bei weitem diejenigen übersteigen dürften, die ein einfacher Mitarbeiter der hannoverschen Verkehrsbetriebe wegen des erlittenen Unrechts geltend machen kann. Mit 400.000,00 EUR wird es da nicht getan sein. Der Schaden für das Rechtssystem ist jetzt schon kaum zu überblicken – ganz Deutschland schüttelt inzwischen den Kopf über die Staatsanwälte und Richter in Mannheim und deren Parade von Exgeliebten und rätselt, was die zur Aufklärung des dortigen Vorwurfs beitragen können.
Ein Urteil soll dort Ende Mai gesprochen werden: warten wir ab, was dann folgen wird – eine Revision vor dem Bundesgerichtshof oder ein Entschädigungsverfahren für die erlittene Untersuchungshaft, welche das Oberlandesgericht Karlsruhe wegen Unhaltbarkeit der Vorwürfe bei seiner Anrufung schleunigst aufhob.
Photo: www.pixelio.de
stscherer
28. April 2011
Eine kleine persönliche Anmerkung sei an dieser Stelle einmal gestattet:
Ich interessiere mich tatsächlich für den Fall Kachelmann, weil er durchaus Tendenzen in unserem Rechtssystem aufzeigt, die ich für gefährlich erachte – und ich schreibe dazu nicht, um mir einen Karriereschub durch Herrn RA Johann Schwenn zu verschaffen oder bei diesem in Gnade zu fallen. Unsere Kanzlei hat ganz andere Arbeitsgebiete als das Strafrecht, wie man diesem Blog unschwer entnehmen kann.
Genauso wenig dürfte es der verehrte Professor Dr. Henning Ernst Müller nötig haben, um Aufmerksamkeit für sich persönlich durch sein lesenswertes Fazit zu buhlen: http://blog.beck.de/2011/02/23/kachelmann-hauptverhandlung-ein-voreiliges-fazit
Es gibt eben durchaus noch Juristen, die eine eigene Meinung haben – und sich trauen, diese auch kundzutun.
Ich schimpfe mich übrigens nicht nur Anwalt und Notar, sondern übe diese Tätigkeiten (sogar gerne) aus – meine Vita lässt sich ja unserer Homepage entnehmen und wird dort wohl gerne nachgelesen – und ob andere eine bessere Vita haben als ich, interessiert mich herzlich wenig… mit meiner bin ich ganz zufrieden
Günnie
17. Januar 2012
Es ist gut, dass es Anwälte wie den Herrn Schwenn gibt, denn ich habe selbst miterlebt, wie die Justiz mit jemanden umgeht, wenn man eines Sexualdeliktes beschuldigt wird:
Alles, was man wahrheitsgemäß gegen die Sache sprechend vorträgt, wird ignoriert und selbst grobe Falschaussagen und Widersprüche des vermeintlichen Opfers werden geschönt. Und in der Urteilsbegründung tauchen dann, nur um es revisionsfest zu machen, Sachen auf, die nicht verhandelt wurden oder die schlicht weg falsch sind.
Und das dürfen dieselben Richter dann einfach so, die vorher eine wörtliche Protokollierung abgelehnt haben.
Ich wurde auf diese Weise unschuldig verurteilt und muss demnächst ins Gefängnis, weil ich mir eben keinen gescheiten Anwalt wie z.B. Herrn Schwenn, der das mir ergangene Theater nicht mit sich hätte machen lassen, leisten kann. Meiner hatte nur Geld kassiert und kam kaum vorbereitet zur Verhandlung und ohne vorher mit mir ein gescheites Gespräch über die Vorgehensweise usw. zu führen.
Mein Revisionsverteidiger hat auch nur Geld kassiert und den groben Fehler gemacht, die beiden Einzeltatvorwürfe durcheinander zu werfen und deshalb Widersprüche zu sehen, wo keine waren, wobei er gleichzeit so arrogant war, die Hinweise von mir -also seines Mandanten- zu ignorieren.
Nun stehe ich hier vor einem Haufen neuer Beweise, welche gegen die Tat sprechen und mögliche Günde für eine Wideraufnahme wären und weiß nicht mehr weiter, weil mir jegliche Kraft und der Glaube an eine gerechte Justiz und an Rechtsanwälte, die noch Berufsehre haben und nicht nur schnelle Kasse machen wollen, fehlt.
Dazu fehlt noch das Geld. Ich habe zwar noch eine ergiebige Arbeit, weil auch mein Chef noch an mich glaubt, aber nicht mehr die Horrorsummen für die verlangten Vorrauszahlungen.
Es bleibt nur noch der Hass über die in der Kette Polizei – StAw – Richter weitervererbte Voreingenommenheit und die Verbitterung.
Ich selbst bin kein Mensch der zu Gewalt neigt, aber wenn ich sehe, wie unfair die Justiz mit einem umgehen kann, kann ich verstehen, dass da mancher ausrastet und zum Amokläufer wird. Ich selbst würde so etwas allerdings niemals tun.
Schade, dass ich mir den Herrn Schwenn nicht leisten kann und schade, dass ich nicht weiß, wie man an einen Anwalt mit ähnlichem Kaliber kommt. Die Werbung ist ja leider überall schön.