Nun ist es ein paar Tage her: Jörg Kachelmann ist durch das Landgericht Mannheim vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden, Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin haben Revision eingelegt, und es wird jetzt maximal 3,5 Monate dauern, bis wir die Urteilsbegründung kennen.
Der gröbste Pulverdampf nach dem Urteil hat sich verzogen, und die Gemüter sollten sich beruhigt haben – deswegen nun ein kleiner Blick auf die mündliche Begründung des Gerichts…
Vorab: Vielleicht sind die Worte des Rechtsanwalts Johann Schwenn, der den Wettermoderator Jörg Kachelmann vor dem Landgericht vertreten hat, ein wenig übertrieben und der Erregung direkt nach dem Freispruch und der mündlichen Urteilsbegründung geschuldet:
„Mit dem Freispruch muss man zufrieden sein“, sagte er. „Was wir dann hinterher gehört haben, war von einer Erbärmlichkeit, die ihresgleichen sucht in einem Gerichtssaal.“ Die Kammer sei den Anforderungen des Falles nicht gewachsen gewesen. Hätte das Oberlandesgericht nicht den Haftbefehl aufgehoben, wäre Kachelmann „noch in Haft bis zum heutigen Tag“. (Analyse: Prozess mit vielen Verlierern | Thema des Tages – Frankfurter Neue Presse – Frankfurt). An anderer Stelle wird er mit ähnlich deutlichen Worten zitiert: Die Kammer hätte den Angeklagten „zu gerne verurteilt“ und habe in ihrer Urteilsbegründung noch einmal „richtig nachgetreten“, um „den Angeklagten maximal zu beschädigen.“ Der Rechtsanwalt sprach von einem „befangenen Gericht“. (Geteiltes Echo nach dem Urteil: Das sind die Reaktionen auf den Kachelmann-Freispruch – Stern TV | STERN.DE).
Das ist nun einmal ein klare Ansage, doch, was ist an ihr dran? Nähern wir uns der mündlichen Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richter Seidling so, wie er sie auch für die Presserklärung autorisiert haben dürfte:
„Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist. Es bestehen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen.“
Nun, wenn man dies so liest, dann fängt man an, darüber nachzudenken, ob Herr Rechtsanwalt Johann Schwenn nicht doch recht hat mit seiner Kritik am Landgericht Mannheim. Dieser Satz nämlich ist für einen Juristen schwer verdaulich und verlangt nach zwei Kommentaren:
- Das Gericht muss für einen Freispruch nicht davon überzeugt sein, dass der Angeklagte unschuldig ist, sondern es muss lediglich zu dem Ergebnis kommen, dass der Angeklagte nicht schuldig ist – und hat es dabei zu belassen. Wenn Richter Seidling aber hier weit über seine Aufgabe hinaus geht, dann kann dies nur einen Grund haben: er hält den Angeklagten für schuldig… oder er will die Nebenklägerin um jeden Preis schützen.
- Und diesen Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Vorsitzende auch noch die Aussage der Nebenklägerin hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts würdigt – obwohl dies überhaupt nicht seine Aufgabe ist. Es hätte vollends gereicht, wenn er festgestellt hätte, dass die Aussage nicht ausreichend ist, um eine Verurteilung zu rechtfertigen. Aber mit dieser massiven Ergänzung seiner Ausführungen spricht er den Angeklagten zwar formal frei, aber verurteilt ihn trotzdem.
Aber warum tut der Vorsitzende das, warum verlässt er mit seiner Strafkammer zum wiederholten Mal den vorgegebenen Weg eines Strafverfahrens? Nun, vielleicht gibt er selbst dazu Aufschluss:
„Der Kammer zu unterstellen, sie sei nicht bestrebt, die Wahrheit herauszufinden und sie stattdessen mit dem Vorwurf zu überziehen, sie verhandele, bis etwas Belastendes herauskomme, ist schlicht abwegig. Im Ergebnis wird damit meinen Kollegen und mir jegliche Professionalität und jegliches Berufsethos abgesprochen. Es bleibt der ungerechtfertigte, dem Ansehen der Justiz schadende Vorwurf im Raum stehen, Richter seien bei Prominenten bereit, zu deren Lasten Objektivität, richterliche Sorgfalt und Gesetze außeracht zu lassen.“
Darum geht es also, man hat den Vorwurf gehört, und man sieht sich im Lichte der Öffentlichkeit nicht mehr in der Lage, zu verurteilen, obwohl man weiterhin an der Schuld des Angeklagten festhält – diesen Eindruck erweckt diese Aussage; jedenfalls verbittet man sich jegliche Kritik an der Verhandlungsführung und dem sonstigen Verhalten des Gerichts, und dies dann gleich mit dem Bezug auf das ganz grosse Kino, der ansonsten eintretenden Schädigung des Ansehens der Justiz.
Nun, da sitzt die Verbitterung wohl tief, von Vielen kontrolliert und bei einer Reihe von mutmasslichen handwerklichen Fehlern beobachtet worden zu sein: der Bezeichnung der Nebenklägerin als „Opfer“, der Vernehmung von „Leumundszeuginnen“ vor Prüfung des Tathergangs, dem Ausschluss der Öffentlichkeit trotz der Veröffentlichung der Zeuginnenaussagen in diversen Boulevardblättern – und damit sind nur einige Auffälligkeiten in der Prozessführung aufgelistet, die, sagen wir mal vorsichtig, diskussionswürdig sind.
Aber wenn Herr Vorsitzender Seidling schon mal dabei ist, den Justizapparat zu entschuldigen, dann kann er natürlich auch gleich noch den „Kollegen“ von der Staatsanwaltschaft die Absolution erteilen und gegen die Verteidigung kräftig aus(k)teilen:
Gleiches gilt im übrigen für die Staatsanwälte. Gerade der vorliegende Fall steht in seiner Komplexität exemplarisch dafür, dass mit vertretbaren Erwägungen unterschiedliche Sichtweisen denkbar sind. Den Vertretern der Staatsanwaltschaft deshalb pflicht- bzw. gesetzeswidriges Verhalten zu unterstellen, ist eines Strafprozesses unwürdig. Die – wenn auch hart geführte – Auseinandersetzung in der Sache setzt immer auch den respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesen hat der Verteidiger des Angeklagten häufig vermissen lassen.
Was die Staatsanwaltschaft betrifft, habe ich mich ja schon geäussert, ich möchte eigentlich die fehlende Sachlichkeit der Anklagevertretung nur an zwei Punkten deutlich machen: was war es denn Anderes als Unsachlichkeit, wenn ein Staatsanwalt folgende Aussage tätigt: „Es ist nicht widerlegt, dass es doch so war, wie sie es geschildert hat.“? Was war es dann, wenn keine Unsachlichkeit, wenn ein Staatsanwalt in seinem Plädoyer ein Wort bei Zitaten aus den Akten weglässt und dadurch den Sinn komplett ins Gegenteil verkehrt?
Würde ich hierfür einen weniger unwürdigen Grund als Unsachlichkeit suchen, dann wäre dies allerdings für die Herren der Staatsanwaltschaft noch peinlicher, denn dann müsste ich ihnen ja grundlegende Unkenntnis des Straf- und Strafprozessrechts unterstellen.
Aber Halt, ich bin da sicherlich voreingenommen, denn für die Thesen des Landgerichts Mannheim bzgl. der Sachlichkeit und Professionalität auf Seiten der Anklagebehörde und des Gerichts soll es doch eine Kronzeugin geben – das Oberlandesgericht Karlsruhe:
„Dass angesichts der Verdachtslage ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, Anklage zu erheben und das Hauptverfahren zu eröffnen war, ist bei objektiver Betrachtung der gesamten Aktenlage – und nur auf die kommt es bei den vorgenannten Entscheidungen an – nicht zu bezweifeln. Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat dies nicht anders gesehen.“
Das hat Charme: die Entscheidung des Gerichts, dass entgegen der festen Überzeugung der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Mannheim die Untersuchungshaft des Herrn Kachelmann beendet hat, diese Entscheidung streitet jetzt für die Kammer. Erinnern wir uns, was sich der Presseerklärung des Oberlandesgericht zu entnehmen war:
„Der 3. Strafsenat hat sodann ausgeführt, dass jedenfalls im derzeitigen Stadium des Verfahrens kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. Zur Begründung hat der Senat insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten und die Nebenklägerin als einzige Belastungszeugin die Fallkonstellation der „Aussage gegen Aussage“ vorliege. Die Nebenklägerin, bei der Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive nicht ausgeschlossen werden könnten, habe zudem bei der Anzeigeerstattung und im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens zu Teilen der verfahrensgegenständlichen Vorgeschichte und des für die Beurteilung des Kerngeschehens (dem Vergewaltigungsvorwurf) bedeutsamen Randgeschehens zunächst unzutreffende Angaben gemacht. Hinsichtlich der Verletzungen der Nebenklägerin könne derzeit aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen und Begutachtungen neben einer Fremdbeibringung auch eine Selbstbeibringung nicht ausgeschlossen werden.“ (Oberlandesgericht Karlsruhe – Jörg Kachelmann: Haftbeschwerde hat Erfolg)
Das OLG Karlsruhe hat also schon im Juli 2010 den dringenden Tatverdacht verneint – und damit die Messlatte für eine Verurteilung sehr hoch angelegt, zumal es ja genau die tragenden Erwägungen schon vorgenommen hat, die jetzt letztendlich zum Freispruch geführt haben: besorgt neue Beweise, so das OLG an die Staatsanwaltschaft und das Gericht, sonst könnt ihr das vergessen mit der Verurteilung.
Und, sind wir heute einen Schritt weiter? Nein, nicht einen einzigen neuen Beweis hat es in 40 Verhandlungstagen gegeben – es ist noch nicht einmal einer angeboten worden, was die Tat an sich betrifft. Es sind lediglich reihenweise Zeuginnen befragt worden, die zum Teil eine kurze, zum Teil eine lange Zeit vor dem angeblichen Tattag mit Jörg Kachelmann befreundet waren, es sind mündlich die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen gehört worden, die sich längst in der Akten befunden haben – und wenn neue Zeugen oder Sachverständige gehört wurden, dann erhärteten diese die Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten – was im übrigen absehbar war, da sie von der Verteidigung benannt worden waren.
Aber im Kern gilt heute dasselbe Fazit wie am 29.07.2010, dem Termin der Verkündung des Oberlandesgerichts Karlsruhe: es besteht kein dringender Tatverdacht, und damit schon gar nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung, die die Voraussetzung einer Verurteilung wäre. Nun, da ist das OLG wohl nur dann ein Kronzeuge für das Tun der Staatsanwaltschaft und des Gerichts in Mannheim, wenn… ja, wenn man ein sehr kurzes Gedächtnis hat.
Aber am Ende sind das Vorgeplänkel, vielleicht hat das Gericht überzeugende Argumente, warum es denn zu diesem nicht überraschenden Freispruch – und gleichzeitig zu seinem durchaus nicht üblichen medialen Schuldspruch gekommen ist:
„Angesichts des Umstandes widersprechender Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie angesichts der Feststellungen, dass beide in Teilbereichen nachweisbar die Unwahrheit gesagt haben, stellt sich die Frage, ob durch außerhalb der Aussagen liegende Beweise begründete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Schilderung der Ereignisse nach dem Ende des Trennungsgesprächs gefunden werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keiner der außerhalb der Aussagen liegenden Beweise für sich gesehen geeignet ist, die Schuld oder gar die Unschuld des Angeklagten zu belegen.
Es ist vielmehr festzuhalten, dass die objektive Beweiskette in die eine wie in die andere Richtung immer wieder abreißt. Die unzureichende objektive Beweislage lässt sich auch durch die von dem Vertreter der Nebenklage in seinem Plädoyer aufgeworfenen Sinnfragen nicht auffüllen. Diese zu Recht in den Raum gestellten Sinnfragen belegen zwar begründete Zweifel an einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin; die Zweifel an der Schuld des Angeklagten können sie jedoch nicht ausräumen.“
(…)
Abschließend führte er zum Ergebnis der Beweisaufnahme aus, dass auch in der Gesamtschau der Beweisergebnisse keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung von Herrn Kachelmann bestehe, dass aber umgekehrt angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht von einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin ausgegangen werden könne.“
Interessant daran ist zunächst einmal, das ein Strafrichter sich in die Position eines Zivilrichters begibt und nicht prüft, ob der Verdacht der Nichtschuld des Angeklagten zerstört werden kann, sondern ständig forscht, ob der Angeklagte die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Darauf kommt es aber schlicht nicht an, es kommt darauf an, ob die Aussage der Zeugin glaubhaft sind, diese Zeugin glaubwürdig ist und ihre Aussage mit den weiteren Beweisen in Einklang gebracht werden kann – also, ob die Beweise ohne die Aussage des Angeklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Verurteilung rechtfertigen.
Doch immer wieder verläuft sich das Gericht in einer Rechtfertigung der Nebenklägerin, anstatt seine tatsächlich Aufgabe zu erfüllen, nämlich zu prüfen, ob die vorgelegten Beweismittel ausreichen, eine Verurteilung zu rechtfertigen oder nicht, ganz egal, ob sie nun wahr sind oder unwahr. All dies lässt bei einem objektiven Beobachter den Eindruck erscheinen, es gehe mit dieser „Begründung“ weniger darum, den Freispruch zu rechtfertigen, als mehr darum, den Angeklagten davon abzuhalten, weitere Schritte nach dem eigentlich logischen Freispruch gegen die Nebenklägerin zu unternehmen. Das Gericht setzt sich so dem fatalen Verdacht aus, es sei nicht mehr unabhängig, sondern stehe längst im Lager der Anzeigeerstatterin und versuche nun verzweifelt, diese vor Repressalien durch das Urteil zu schützen.
Nun mag man diese Angst der Kammer des Landgerichts Mannheim durchaus nachvollziehen: die Führung des Prozesses, die vor keinem Schmutzloch im Leben des Angeklagten Halt machte, ohne zu fragen, ob dies überhaupt prozessrelevant ist, führt natürlich zu einer maximalen Beschädigung seines Ansehens und damit zu einem Zwang, nun nach einem Freispruch quasi als Retourkutsche gegen das mutmassliche Opfer vorzugehen – nur, wer hat das verursacht?
Doch derjenige, der diesen unseeligen Prozess über 40 Verhandlungstage führte, ohne auch nur einen einzigen noch so kleinen zusätzlichen Beweis für die Täterschaft über diejenigen hinaus, die schon dem OLG Karlsruhe vorlagen, hervorzubringen, also die Staatsanwaltschaft und das Landgericht Mannheim.
Und dabei hat sich insbesondere die Kammer aufgrund der wenig bis gar nicht vorausschauenden Prozessführung der Möglichkeit beraubt, tatsächlich die Persönlichkeitsrechte der Parteien angemessen zu schützen. So wirken die Ausführungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte reichlich aufgesetzt:
„Abgesehen davon, dass die weit überwiegende Anzahl der unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommenen Zeuginnen keine Interviews gegeben und damit Anspruch auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte hatten, geht die Kammer nicht davon aus, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger ernsthaft gewollt hätten, dass das Beziehungs- und Intimleben des Angeklagten der Allgemeinheit in allen Einzelheiten durch eine Vernehmung der Zeuginnen in öffentlicher Verhandlung zugänglich gemacht worden wäre. Im Ergebnis steht deshalb außer Frage, dass der wiederholte Ausschluss der Öffentlichkeit sachlich gerechtfertigt war. Er diente allein dazu, die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, auch die des Angeklagten zu wahren und die Wahrheitsfindung in geordneten Bahnen ablaufen zu lassen.“
Letztendlich war es doch das Gericht selbst, dass aufgrund seiner Verhandlungsführung diese Gefährdungen für die Persönlichkeitsrechte der unmittelbar Beteiligten ausgelöst hat. Hätte das Gericht zunächst die Beweismittel eingeholt, die zur Tatnacht vorlagen – einschliesslich der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sachverständigengutachten -, dann hätte es – mit Ausnahme der Vernehmung der Anzeigeerstatterin – die Öffentlichkeit gar nicht ausschliessen müssen.
Und voraussichtlich wäre es dann aufgrund des Umstandes, dass sich der Tatvorwurf nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen liess, sehr schnell dazu gekommen, den Angeklagten freizusprechen, und zwar ohne eine einzige der Exgeliebten des Angeklagten zu verhören, ohne den damit einhergehenden Medienrummel zu provozieren und damit ohne das Ansehen des Angeklagten in der Öffentlichkeit über Gebühr zu beschädigen – und ohne alle Prozessbeteiligten 40 Verhandlungstagen auszusetzen.
Zwar lässt sich das Gericht lang und breit über die angeblichen Grenzüberschreitungen der Medien aus, doch mit keinem einzigen Wort erwähnt es, welchen eigentlichen Beweiswert der medienwirksame und die Prozesstage füllende Aufmarsch der Kachelmann-Geliebten gehabt hat – und warum es ihn initiiert hat, sozusagen als Steilvorlage für die Massenmedien.
Natürlich problematisiert es die „Leumundszeuginnen“:
Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung in erster Linie der Wahrheitsfindung verpflichtet. Dabei sind nicht nur die in der Strafprozessordnung vorgegebenen Regeln einzuhalten; die Gerichte, denen von Gesetzes wegen erhebliche Eingriffsbefugnisse zustehen, haben vor allem darauf zu achten, dass die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Zeugen nicht mehr als zur Wahrheitsfindung erforderlich eingeschränkt werden.
(…)
Die medienwirksam vorgetragene Kritik des Verteidigers am Ausschluss der Öffentlichkeit ließ vordergründig den Eindruck entstehen, die Kammer habe bis zu seinem Auftreten ohne sachliche Rechtfertigung die Öffentlichkeit in exzessiver Weise ausgeschlossen. Dass sich drei Zeuginnen durch Interviews ihrer Persönlichkeitsrechte – jedenfalls teilweise – begeben hatten, verstärkte diesen Eindruck.
Ohne Zweifel haben diese drei Zeuginnen und die entsprechenden Medien durch ihr Verhalten dem Ablauf der Hauptverhandlung geschadet.
Abgesehen davon, dass die weit überwiegende Anzahl der unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommenen Zeuginnen keine Interviews gegeben und damit Anspruch auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte hatten, geht die Kammer nicht davon aus, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger ernsthaft gewollt hätten, dass das Beziehungs- und Intimleben des Angeklagten der Allgemeinheit in allen Einzelheiten durch eine Vernehmung der Zeuginnen in öffentlicher Verhandlung zugänglich gemacht worden wäre. Im Ergebnis steht deshalb außer Frage, dass der wiederholte Ausschluss der Öffentlichkeit sachlich gerechtfertigt war. Er diente allein dazu, die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, auch die des Angeklagten zu wahren und die Wahrheitsfindung in geordneten Bahnen ablaufen zu lassen.
Nur setzt sich das Gericht neben seinen steten Angriffen gegen die Verteidigung mit der Frage auseinander, welchen Sinn und Zweck die Befragung der Damen hatte? Nein, die Ausführungen zur Strafprozessordnung führen in der Sache komplett ins Leere, denn sie erklären fallbezogen nicht: wofür wurden diese Zeuginnen gebraucht? Und deswegen erschliesst sich mir nur ein Ergebnis:
Die Persönlichkeitsrechte der Zeuginnen, der Nebenklägerin und auch des Angeklagten hätte man am besten geschützt, wenn man diese Damen überhaupt nicht, und schon gar nicht in dieser frühen Phase des Prozesses, vernommen hätte!
Doch die Kammer hat es trotzdem getan, und damit dem Medienrummel und den wirtschaftlichen Interessen einiger Zeuginnen Vorschub geleistet. Gerade dieser Umstand hätte sicherlich Anlass sein können für das Landgericht Mannheim, sich mit seiner Prozessführung an sich selbstkritisch auseinander zu setzen, aber genau das Gegenteil war der Fall:
„Auch angeblich Sachkundige konnten nicht der Versuchung wiederstehen, ohne Aktenkenntnis und ohne an der Hauptverhandlung teilgenommen zu haben, häufig aber auf der Grundlage unvollständiger und fehlerhafter Medienberichte per Ferndiagnose ihre persönliche Meinung zum Besten zu geben, die in der Regel nichts mit sachlicher Kritik zu tun hatte, sondern häufig nur Klischees bediente.“
Damit sind sicherlich nicht ein paar Blogger (mich eingeschlossen) oder Foristen im Internet gemeint, sondern die diversen Kommentatoren aus der Bereich der juristischen Zunft, also Professoren, Richter und Staatsanwälte, die sich in verschiedenen Medien äusserten. Natürlich taten sie dies ohne Aktenkenntnis und ohne Teilnahme an der Hauptverhandlung. Aber sie taten es – wie ich im übrigen auch – nach kritischer Würdigung aller bekannten Tatsachen in Abwägung der verschiedenen Stellungnahmen in den Medien und unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Karlsruhe, und sie stellten mehr als berechtigte Fragen:
- nach welchen neuen Beweisen forscht das Gericht und
- wofür sollen diejenigen Erkundigungen, die das Gericht einholt, als Beweismittel dienen?
So sind es sicherlich nicht diese „angeblich Sachkundigen“, die nun mit des Kaisers neuen Kleidern dastehen, es ist die Staatsanwaltschaft und das Landgericht Mannheim, denn am Ende hat sich trotz weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, einem Aufmarsch von Liebschaften des Angeklagten und der Vernehmung von Traumatologen und Angstschnüfflern nichts ergeben, was nicht auch schon das OLG Karlsruhe wusste: Vergleichen wir es:
Oberlandesgericht Karlsruhe:
„Der 3. Strafsenat hat sodann ausgeführt, dass jedenfalls im derzeitigen Stadium des Verfahrens kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. Zur Begründung hat der Senat insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten und die Nebenklägerin als einzige Belastungszeugin die Fallkonstellation der „Aussage gegen Aussage“ vorliege. Die Nebenklägerin, bei der Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive nicht ausgeschlossen werden könnten, habe zudem bei der Anzeigeerstattung und im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens zu Teilen der verfahrensgegenständlichen Vorgeschichte und des für die Beurteilung des Kerngeschehens (dem Vergewaltigungsvorwurf) bedeutsamen Randgeschehens zunächst unzutreffende Angaben gemacht. Hinsichtlich der Verletzungen der Nebenklägerin könne derzeit aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen und Begutachtungen neben einer Fremdbeibringung auch eine Selbstbeibringung nicht ausgeschlossen werden.“
Landgericht Mannheim:
„Angesichts des Umstandes widersprechender Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie angesichts der Feststellungen, dass beide in Teilbereichen nachweisbar die Unwahrheit gesagt haben, stellt sich die Frage, ob durch außerhalb der Aussagen liegende Beweise begründete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Schilderung der Ereignisse nach dem Ende des Trennungsgesprächs gefunden werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keiner der außerhalb der Aussagen liegenden Beweise für sich gesehen geeignet ist, die Schuld oder gar die Unschuld des Angeklagten zu belegen.
(…)
Abschließend führte er zum Ergebnis der Beweisaufnahme aus, dass auch in der Gesamtschau der Beweisergebnisse keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung von Herrn Kachelmann bestehe, …“
Alter Wein in neuen Schläuchen! Nur mit dem Unterschied, dass sich das OLG in strikter Anwendung des Straf- und Strafprozessrecht auf die entscheidungserhebliche Frage des Aussageverhaltens der Nebenklägerin beschränkte, während das Landgericht immer wieder die völlig irrelevante Frage aufwirft, ob der Angeklagte die Wahrheit sagt oder nicht.
Insgesamt macht das alles einen hilflosen Eindruck, als wenn die Kammer die Geister, die es rief, einfach nicht mehr los wird – und nun einen Schuldigen sucht, den es in Rechtsanwalt Schwenn gefunden haben will. Nur damit macht es sich das Gericht genauso einfach wie mit seinen rührseligen Schlussworten:
Zum Schluss wandte sich der Vorsitzende mit einem persönlichen Wort der Kammer an die Verfahrensbeteiligten, die Prozessbeobachter und die Vertreter der Medien:
„Wir sind überzeugt, dass wir die juristisch richtige Entscheidung getroffen haben. Befriedigung verspüren wir dadurch jedoch nicht. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin mit einem möglicherweise nie mehr aus der Welt zu schaffenden Verdacht, ihn als potentiellen Vergewaltiger, sie als potentielle rachsüchtige Lügnerin. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin aber auch mit dem Gefühl, ihren jeweiligen Interessen durch unser Urteil nicht ausreichend gerecht geworden zu sein.
Bedenken Sie, wenn Sie künftig über den Fall reden oder berichten, dass Herr Kachelmann möglicherweise die Tat nicht begangen hat und deshalb zu Unrecht als Rechtsbrecher vor Gericht stand. Bedenken Sie aber auch umgekehrt, dass Frau X. möglicherweise Opfer einer schweren Straftat war.
Versuchen Sie, sich künftig weniger von Emotionen leiten zu lassen. Unterstellen Sie die jeweils günstigste Variante für Herrn Kachelmann und Frau X. und führen Sie sich dann vor Augen, was beide möglicherweise durchlitten haben.
Nur dann haben Sie den Grundsatz „in dubio pro reo“ verstanden. Nur dann kennt der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht nur Verlierer, sondern neben dem Rechtsstaat auch Gewinner.“
Nun soll man jedem seine Überzeugungen lassen, nur sind Überzeugungen nicht das, was man von einem Gericht erwartet.
Und das Urteil hätte das Gericht auch – wie in 95% aller Vergewaltigungsverfahren – schon nach maximal 4 Verhandlungstagen haben können. Die Verzehnfachung der Verhandlungstage und die damit einhergehende maximale Belastung und Beschädigung sowohl des Angeklagten als auch der Nebenklägerin können auch die salbungsvollen Schlussworte nicht wieder gutmachen. Es wäre an der Kammer der Landgerichts Mannheim gewesen, frühzeitig im Rahmen des Prozesses ihr richtiges Verständnis vom Grundsatz „in dubio pro reo“ zu zeigen – denn dann hätte es tatsächlich einen Gewinner gegeben, und zwar den Rechtsstaat. Und Nebenklägerin und Angeklagter ständen jetzt nicht – auch in den Augen des Gerichts – als Verlierer da.
Am Ende wünschte man sich eigentlich, dass dieses Gericht nicht auch noch eine wirkliche Urteilsbegründung schreiben muss, denn nun muss es den ernsthaften Versuch unternehmen, eine revisionsfeste Argumentation zu finden für einen Freispruch, den es augenscheinlich selbst nicht unbedingt angestrebt hat.
Solche Unterfangen gehen gerne mal richtig schief… mit der Konsequenz, dass der durchaus strenge 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes den Freispruch aufhebt – und nicht unbedingt deswegen, weil er ihn für sachlich falsch, sondern für falsch zustande gekommen hält; ja, auch in diesem Sinne kann Justitia durchaus blind sein, wie der Fall Harry Wörz zeigt: dort hat genau dieser 1. Strafsenat einen Freispruch wegen juristisch nicht tragfähiger Begründung aufgehoben – um ihn dann nach erneuter Durchführung des erstinstanzlichen Verfahren zu bestätigen.
Man male sich dies für den Fall Kachelmann aus – und man überlege sich die Belastung sowohl für die Nebenklägerin als auch für den Angeklagten…
Vielleicht hat gerade deswegen das Landgericht Mannheim fast flehend nicht nur mit seinem Schlusswort „zwischen den Zeilen“ der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin die Gefahren aufgezeigt, die eine Revision haben könnte, denn:
Derzeit ist Jörg Kachelmann nicht schuldig einer Vergewaltigung. Dies bedeutet aber nicht, dass damit die Nebenklägerin schuldig einer Falschaussage pp. ist, denn auch sie ist nicht schuldig bis zu einer Verurteilung. Für eine solche hat das Landgericht Mannheim allerdings den Maßstab sehr hoch gehängt, d.h., ohne eine schriftliche Begründung des Urteils dürften die Möglichkeiten für eine Verurteilung der Nebenklägerin – und auch für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche des freigesprochenen Angeklagten gegen sie – sehr gering sein.
Doch Staatsanwalt Lars Torben O., sein Chef Oskar Gattner und die Nebenklägerin scheinen uneinsichtig zu sein, denn sie ersparen der Landgerichtskammer nicht die Peinlichkeit der schriftlichen Urteilsbegründung.
Und was provozieren sie damit? Die Kammer muss jetzt schriflich begründen, warum der Angeklagte nicht schuldig ist und damit freizusprechen war – und warum die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beweiswürdigung falsch lag. Und damit wird Jörg Kachelmann nach Recht und Gesetz sowie den Maßstäben des Bundesgerichtshofes – denn das Landgericht wird natürlich versuchen, sich nicht wegen Verstössen gegen Recht, Gesetz und BGH aufheben zu lassen – die Munition geliefert, die er braucht, um gegen die Nebenklägerin vorzugehen.
Uns steht noch Einiges bevor im Fall Kachelmann…
Photo: www.pixelio.de
Die Presseerklärung des Landgerichts Mannheim im Wortlaut: Landgericht Mannheim – Pressemitteilung vom 31.05.2011- Freispruch für Jörg Kachelmann
Man mag mir bitte meinen – inzwischen korrigierten – Fehler bzgl. des Richternamens entschuldigen: ein Anderer war mir besser in Erinnerung geblieben….
H.D.
10. Juni 2011
§ 244 Abs. 2 StPO lautet:
Das Gericht hat zur Erforschung der W a h r h e i t die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
Die Aussage, es sei Aufgabe des Gerichts „… zu prüfen, ob die vorgelegten Beweismittel ausreichen, eine Verurteilung zu rechtfertigen oder nicht, ganz egal, ob sie nun wahr sind oder unwahr.“, deutet auf ein grundlegendes Fehlverständnis strafprozessualer Grundsätze hin. Das Gericht solle sich nicht um die Wahrheit kümmern. Haarsträubend!
Man kann von der Prozessführung der Mannheimer Kammer halten, was man will. Aber es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Freispruch damit begründet worden ist, dass die Wahrheit nicht zu ermitteln war und dass dementsprechend weder feststeht, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, noch dass feststeht, dass die Nebenklägerin den Angeklagten zu Unrecht bezichtigt hat. Vielmehr ist solch eine Klarstellung schon deshalb geboten, damit die Öffentlichkeit nicht zu dem Fehlschluss gelangt, dass nun die Nebenklägerin in jedem Falle zu verurteilen sei. Die in diesem Zusammenhang oft genannte Unschuldsvermutung kann nicht die Wirklichkeit fingieren. Der Freigesprochene ist nicht „unschuldig“. Nur dürfen an den Tatverdacht, sei er auch nicht ausgeräumt, nun keine strafrechtlichen Rechtsfolgen mehr geknüpft werden.
stscherer
10. Juni 2011
Gut, ich mag mich missverständlich ausgedrückt haben:
– ist eine Aussage nachweislich unwahr, dann kann sie niemals Gegenstand einer Verurteilung sein.
– ist eine Aussage wahr, dann kann sie nur dann Grundlage einer Verurteilung sein, wenn ihr nicht der Zweifel der Unwahrheit anhaftet. Für ein Gericht kommt es also darauf an, ob aufgrund von wahren Tatsachen der Angeklagte der Tat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überführt werden kann.
Bringen wir es auf den Punkt, den sicherlich auch Sie mit mir teilen können: in einem Strafprozess kann es eben 2 Wahrheiten geben. Aber ich denke, Sie wollen einfach meinen Ansatz nicht verstehen: das Gericht lässt sich auf eine von aussen aufgedrängte Diskussion über Wahrheit oder Unwahrheit ein – und muss deswegen den Angeklagten medial verurteilen, um die Nebenklägerin nicht vorzuverurteilen.
Das Gericht hätte sich schlicht und ergreifend darauf beschränken können, festzustellen, dass die vorgelegten Beweise nicht ausreichen, um eine Verurteilung zu rechtfertigen – ohne eine Diskussion über die Unwahrheit der einen wie der anderen Seite zu eröffnen. Allein mit dem Hinweis darauf, dass ein Strafprozess nun einmal mehr verlangt als die Wahrheit hätte man die Entscheidung sauber begründen – und sich seine Abrechnung mit dem Angeklagten ersparen können.
Und wieso soll eigentlich eine Kammer, die sich so viel darauf einbildet, nicht die Öffentlichkeit bedienen zu wollen, nun plötzlich gerade dieser Öffentlichkeit deutlich machen, warum gegen eine Zeugin kein Strafverfahren eröffnet und kein zivilgerichtlicher Regress geführt werden soll und kann?
Natürlich ist der Angeklagte nicht unschuldig, sondern er ist nicht schuldig, nur sollte ein Gericht einen solchen nicht Schuldigen durch seine Aussagen nicht wieder zum mutmasslich Schuldigen machen – dies ist jedenfalls für mich ein haarsträubendes Fehlverständnis strafprozessualer Grundsätze.
Frank Georg Bechyna
10. Juni 2011
Diese Zusammenfassung mit einem präzisen Hinweis zu dem , was wir u. U. noch zu erwarten haben und auch im Sinne einer sauberen juristischen Klarstellung erwarten dürfen von der 5. Grossen Strafkammer des Landgerichts Mannheim , ist eine sehr gute Grundlage und entzieht vor allem den Spekulationen den Nährboden . Ich gehe davon aus , dass das Gericht wie die Staatsanwaltschaft Mannheim diesen Übersichtsartikel genau lesen werden . FGB
TreBon
10. Juni 2011
Wie ist so etwas möglich? Das die richterliche Unabhängigkeit ein hohes Gut des Rechtstaates darstellt ist ja keine Frage. Aber bedeutet das auch jeden mit durchzuschleppen? Das es Justizkreise mit Zweifelhafter sozialer Hygiene und leider auch Arbeitsethos gibt ist ja nicht nur in Mannheim traurige Realität. Aber was ist mit den Selbstreinigungskräften? Dieser Richter macht doch den Anschein, als sei er befangen. Wieso hat man ihn an den Prozess ran gelassen und warum gibt es so offensichtlich keine Möglichkeit das so etwas korrigiert wird?
RA Werner Siebers
11. Juni 2011
Mich würde nicht wundern, wenn DIESE Kammer auf die Idee kommt, das schriftliche Urteil so abzufassen, dass der Staatsanwalt für die Revisionsbegründung quasi ein Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt wird und im Tor nur ein Schild steht mit der Aufschrift: Torwart im Urlaub.
Bei DIESER Staatsanwaltschaft besteht dann glücklicherweise noch eine gewisse Aussicht, dass der Ball so schwach geschossen wird, dass er auf dem Weg zum Tor vor der Linie liegenbleibt, sozusagen „verhungert“.
MitDenkende
11. Juni 2011
Diese Veröffentlichung RA Scherers sollte Pflichtlektüre für alle Jura-Studenten und diejenigen werden, die bisher kritiklos kopfnickend die Urteilsbegründung Richter Seidlings hinnahmen.
Vielen Dank dafür!
john
11. Juni 2011
H.D. oben hat den § 244 Abs 2 vollkommen falsch verstanden. Der Sinn eines Strafprozesses ist es nicht, irgendeine abstrakte „Wahrheit“ zu finden, sondern, ob der Angeklagte in Wahrheit der Tat schuldig ist, deren er von der Staatsanwaltschaft angeklagt wird. Darum heißt es auch „Ankläger“ und „Nebenklägerin“. Demzufolge hat der Ankläger und die Nebenklägerin auch die Beweise vorzulegen, die den mutmasslichen Täter überführen.
Glücklicherweise darf man in unserem Rechtssystem davon ausgehen, dass der Angeklagte lügt oder garnichts sagt. Sonst gäbe es zahlreiche Unschuldige, die verurteilt würden, nur weil die Anklage das ohne ausreichende Beweise sagt.
Rechtsbeugung_Verhindern
12. Juni 2011
Die Response von H.D. ist pseudologisch und soll wohl den Irrtümmern des Gerichts stützen. Ebenso wie das Gericht irrig meint, ist die pseudologische extrem willkürliche „Argumentation“ (tut weh) nicht geeignet, den gesetzlichen Zwang zu einem (eindeutigen) Urteil auszuhebeln.
Höhepunkt der Verwirrung ist folgende (unzulässige) „Differenzierung“ (Zitat):
„Die in diesem Zusammenhang oft genannte Unschuldsvermutung kann nicht die Wirklichkeit fingieren.“
Wieviel „Wirklichkeiten“ will H.D. (und das Gericht) eigentlich noch konstruieren???
Die (gesetzliche) FIKTION der Unschuldsvermutung ist eben genau jene -und EINZIGE- die nach dem GESETZ zu gelten hat, die greift, wenn die Schuld nicht nachgewiesen werden kann. Sie gilt ZWINGEND und EINZIG und KONSTITUTIV wenn die Schuld nicht festgestellt werden kann, und die Unschuld nicht durch Sachbeweise (deklaratorisch) zu beweisen ist.
H.D. und das sich einem eindeutigen Urteil entziehende Gericht will nun noch eine dritte „Wirklichkeit“ herbeiquatschen – Was soll das?
Rechtsbeugung_Verhindern
12. Juni 2011
Nachtrag: (Nachlässig) vergessen zu erwähnen hatte ich, die Exzellenz und Kompetenz des Kommentars zum Urteil anerkennend zu betonen! Herzlichen Dank!
Etwas Erstaunen löst die „Zurückhaltung“ in diesm Bereich aus (Zitat):
„Was war es dann, wenn keine Unsachlichkeit, wenn ein Staatsanwalt in seinem Plädoyer ein Wort bei Zitaten aus den Akten weglässt und dadurch den Sinn komplett ins Gegenteil verkehrt?
Würde ich hierfür einen weniger unwürdigen Grund als Unsachlichkeit suchen, dann wäre dies allerdings für die Herren der Staatsanwaltschaft noch peinlicher, denn dann müsste ich ihnen ja grundlegende Unkenntnis des Straf- und Strafprozessrechts unterstellen.“
Ausbildung, Stellung, Erfahrung und nicht zuletzt Berufspflichten sowie die Tatsache, dass 3 (drei) Staatsanwälte zusammenarbeiten schließen die Unterstellung „grundlegender Unkenntnis…..“ wohl zwingend aus.
Was war es dann?????
Warum wagt niemand die offene Rechtsbeugung der Staatsanwälte zu benennen???
Ps:
Die OFFENSICHTLICHKEIT UND EINDEUTIGKEIT ist sicher nicht geeignet, die Diagnose Rechtsbeugung in Zweifel zu ziehen. Sie wirft allenfalls die Frage auf, was oder wer der Staatsanwaltschaft die offenkundig absolute Sicherheit verleiht, sich für die Rechtsbrüche NICHT VERANTWORTEN ZU MÜSSEN. Geniesen diese Staatsanwälte Immunität vor dem Gesetz???
stscherer
12. Juni 2011
Ich glaube nicht ansatzweise an Rechtsbeugung – hier haben sich die Vertreter einer Anklagebehörde, die man durchaus mit Recht oft als die „Kavallerie der Justiz“ bezeichnet, offensichtlich – um im Bild zu bleiben – „vergaloppiert“. Ich lese gerade das erste Buch zum Prozess (bringt es mit sich, wenn man das Bett hüten darf…): Die Akte Kachelmann – Anatomie eines Skandals von Thomas Knellwolf. Den Kommentar bei Amazon (http://www.amazon.de/Die-Akte-Kachelmann-Anatomie-Skandals/dp/3280054435/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1307871425&sr=8-1) dazu teile ich, aber man merkt sehr schön, welche ungewollte Dynamik der ganze Fall entwickelt hat – und damit waren auch Staatsanwaltschaft und das Gericht komplett überfordert. Das entschuldigt sie nicht, nur zeigt es, dass es eben von Inkompetenz zu strafrechtlich relevantem Vorwurf ein weiter Weg ist…
Es gehört sehr viel menschliche Grösse dazu, seine Fehler in einer solchen Öffentlichkeit einzugestehen.
Diese Grösse hat in diesem Verfahren offensichtlich gefehlt, eben die „Eier“, die es nach Auffassung eines bekannten Fussballspielers braucht.
Wenn Richter Seidling tatsächlich so von der Schuld Jörg Kachelmanns überzeugt ist, wie er es mit der in dem Buch wiedergegebenen Aussage zum Ausdruck bringt, es habe sich in der Beweisaufnahme nichts davon geeignet, „sogar die Unschuld des Angeklagten“ zu belegen, dann hätte er für eine Verurteilung sorgen müssen.
Ansonsten, wenn er der Auffassung ist, dem Angeklagten sei die Schuld nicht nachzuweisen, dann hätte er dies klar und deutlich, ohne Wenn und Aber, zum Ausdruck zu bringen gehabt.
So aber wählt er den Weg, sich vor dieser Entscheidung zu drücken, und dies ist – jedenfalls nach meiner Sicht – sehr, sehr bedauerlich.
Rechtsbeugung_Verhindern
12. Juni 2011
Ojektiv lassen sich „keine vernünftigen Zweifel“ an der Verwirkliung von Rechtsbeugung begründen. SUBJEKTIV (Vorsatz) fällt es ebenfalls sehr schwer ihren „Glauben“ als Wahrheit in Erwägung zu ziehen. Zudem drängt sich die Frage auf, ob Sie nicht „Zwangskonvertit“ sind. Die einzig verbleibende Alternative nämlich, machte -zu Recht- Angst. Außerdem wechseln die Grundlagen ihres „Glaubens“ häufig – allein hier von ‚grundlegende Unkenntnis‘, über ‚Unsachlichkeit‘ bis zuletzt ‚Überforderung‘ und ‚Übereifer‘. Jeder für sich und auch alle zusammengenommen bilden m.E. kein so tragfähiges Glaubensgerüst, dass es folgende Belastungen aushalten könnte ohne zusammenzubrechen:
– Weglassung des -entscheidungserheblichen- Wortes im Zitat einer SMS (vorsätzliche Umdeutung eines unzweifelhaft entlastenden Beweismittel in ein belastendes
– Mit haarsträubenden, gegen jeden gesunden Menschenverstand und allg. Denkgesetzte verstoßende „Schlussfolgerungen“ bei Auslegung und Interpretation von Gutachteraussagen
– Praktisches ‚davonjagen‘ national u. international anerkannter Gutachter, weil deren Ergebnisse den fanatischen Verurteilungswillen nicht stützen
– gesamte Fachwelt zu „vermeintlich Sachkundigen“ (also unwissende Deppen) erklären, wobei absichtlich Sach- und Fachkunde vertauscht wird. Beurteilung von Gesetzmäßigkeit ist dem FACHkundigen auch per Ferndiagnose möglich.
– unbegründete Kritik zur Diffamierung der Verteidigung
– Missbrauch der Urteilsbegründung um ein Urteil über ein Verfahren, was gar nicht geführt wurde, zu verstecken (‚Freispruch Falschanklage‘)
– Missbrauch der Urteilsbegründung zu Spekulationen über den Angeklagten, Statt der -gesetzlich geforderten- substantiellen Begründung des Freispruchs
– Geradezu rabulistische ‚Differenzierung‘ zwischen ‚juristisch richtiger Entscheidung‘ und ‚Befriedigung‘ (welche anderen Bedürfnisse ausser der ‚juristisch richtigen Entscheidung‘ können/dürfen Richter haben?)
Tut mir leid. Die Glaubensprüfung hält nicht stand – bei allem Wohlwollen, konvertieren unmöglich. Die letzte Chance Rechtsbeugung zu verneinen, und „Schlechtleistung“ anzunehmen, hat die StA m.E. mit ihrem Plädoyer und ihrer Strafforderung -leichtsinnig- verspielt, und ihren Vorsatz, ein Fehlurteil herbeizuführen, nochmals bekräftigt.
Etwa – wie von Ihnen fast nahegelegt – „übermenschliche“ Größe, Fehler, bzw. einzuräumen, dass sich der erste (eh schon sehr wackelige) Anfangsverdacht nicht bestätigte ist überhaupt nicht erforderlich. Wer wollte es übelnehmen, wenn ein so schwer wiegender Vorwurf wie Vergewaltigung – meinetwegen – gründlich untersucht wird? NIEMAND! Aber bereits in frühem Stadium war absehbar, „was Sache ist“. Wie gesagt, auch wenn man sie dann noch bis zum Schluss weitermachen lassen will, ohne kriminelle Absicht, sondern Schlechtleistung zu unterstellen, mit dem Plädoyer wurde endgültig der letzte Zweifel beseitigt. Dieses hätte nicht anders als Freispruch lauten dürfen. Deswegen ja auch 5:0 Richterstimmen (so wird berichtet).
Wenn das Gericht jetzt noch nachträglich über gar nicht geführte Verfahren urteilt und vorsorgliche Freisprüche verteilt, ist klar, dass die gesellschaftlich ohnehin bereits verwirklichte Geschlechter-Apartheid durch Richterrecht auch rechtlich befestigt werden soll.
Von Schwarzers „alle Männer potentielle Vergewaltiger“ zum „Verdächtigen“ hin zum (förmlich) verleumdeten „Angeklagten“ zum schuldlos Verurteilten sind alle Schritte verwirklicht. AUSSCHLIESSLICH RA Schwenn hat die ‚ordnungsgemäße Vollstreckung‘ diese geplanten und gewollten Justizmord „gestört“. Und die Richter haben -zu Recht- panische ANGST vor dem erwartbaren Entrüstungs- und Empörungsturm der radikalfeministischen Kreise. Ihre Urteilsbegründung ist eine Entschuldigung an diese, dass ein zwar unschuldiger, aber unliebsam gewordener Mann nicht wunschgemß ‚entsorgt‘ wurde.
Ps:
Die Prominenz des Angeklagten spielt m.E. KEINERLEI Rolle. Jeder andere wäre nach ein paar Tagen veruteilt und das Leben vernichtet worden – einzig um den Hormonschwankungen einer Frau kurz vor dem 40. Lebensjahr bzw. Überreife, bzw. ihrer erstmaligen Erfahrung, selbst einen „Korb bekommen“ zu haben, zu huldigen. Birkenstock übrigens, bin ich sicher, hätte eine Verurteilung nicht verhindern können. RA Schwenn ist zu Recht in die Öffentlichkeit und hat in der Öffentlichkeit auch gewonnen! Er verdient ein Bundesverdienstkreuz.
G. Busch
12. Juni 2011
Ich bin zwar juristischer Laie, überlasse das Denken aber nicht nur den jeweiligen Fachleuten. Ihre Zusammenfassung des Falles Kachelmann fand ich sehr gelungen und informativ. Sie hebt sich wohltuend von vielen anderen Veröffentlichungen ab!
Das weitere Schicksal der beiden Hauptakteure ist – auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln – bedauerlich. Der Ruf und das Ansehen beider ist nicht mehr nachhaltig zu reparieren! Beide wurden durch eine aus meiner Sicht unprofessionelle Vorgehensweise mehr als vertretbar geschädigt.
Gibt es aber die begründete Hoffnung, daß die Justizbehörden wenigstens die richtigen Lehren aus diesem Fall ziehen werden? Auch einem Laien erschließt sich, daß hier von Anfang an einiges falsch gelaufen ist: keine zeitnahe Sicherung aller Spuren, eine Polizei, die es versäumt hat, wörtliche Protokolle aufzunehmen, wahrscheinlich keine früh einsetzende professionelle Betreuung und Beratung des angeblichen Opfers und eine Staatsanwaltschaft, die nur einseitig ermittelt, dafür aber umso eifriger die Medien bedient! Dazu kam die – zumindest aus meiner Sicht – katastrophale Verhandlungsführung des Gerichtes: erst alle „Gespielinnen“ vorzuladen – denen auch die lukrative Vermarktung ihrer Aussagen gestattet wurde – bevor man die Hauptzeugin vernahm! Wird so etwas überhaupt durch die Strafprozeßordnung gedeckt? Bei mir jedenfalls erweckte das den Eindruck, daß die Verurteilung von Kachelmann schon von Anfang an beschlossene Sache war!
Bei der Betreuung des angeblichen Opfers – mir fällt es schwer, es „mutmaßlich“ zu nennen – hat man offensichtlich in einem frühen Stadium versäumt, ihr klarzumachen, daß es kein Opfer nötig hat, die eigene Glaubwürdigkeit durch erfundenes Beiwerk zu bekräftigen! Wenn der Kern der Beschuldigung wahr ist, kann das doch nur die Glaubwürdigkeit erschüttern – falls jemand die Lügen aufdeckt.
Als juristischer Laie – ich erwähnte es eingangs – habe ich jetzt eine schlimme Befürchtung, die hoffentlich völlig unbegründet ist. Könnte es sein, daß Richter und Staatsanwälte jetzt so (zusammen) an der schriftlichen Urteilsbegründung „herumbasteln“, daß sich daraus mit einiger Sicherheit ein Revisionsgrund ergäbe? Dann würde das Verfahren ja wieder an eine andere Kammer des Landgerichtes Mannheim übertragen. Wäre in diesem Fall auszuschließen, daß die Zusammensetzung dieser neuen Kammer nach dem Grundsatz „contra Kachelmann“ erfolgt?
Ich hoffe sehr, daß ich zu schwarz sehe – und weiterhin, daß die Justizbehörden in Mannheim im positiven Sinne lernfähig sind!
Rechtsbeugung_Verhindern
12. Juni 2011
Nach nochmaligem Nachdenken über Ihren -zutreffenden- Satz vom „richtiges Verständnis vom Grundsatz „in dubio pro reo“ zu zeigen“ drängt sich mir sogar der Gedanke auf, ob im konkreten Fall überhaupt (noch) Rückgriff auf diesen Rechtsgrundsatz zulässig war. Dass der Angeklagte nämlich NICHT SCHULDIG IM SINNE DER ANKLAGE ist, ist m.E. durch die Sachbeweise (inbesondere Messer/DNA) bewiesen. „Im Sinne der Anklage“ kann schließlich nur das angeklagte, von der Nebenklägerin beschriebene Verbrechen bedeuten. Und dieses konkrete Tatgeschehen hat definitiv NICHT STATTGEFUNEN – das ist durch die verschiedenen Gutachten BEWIESEN. Und zwar mit Beweisen die nicht dutungsbedürftig sind, bzw. einer Deutung gar nicht zugänglich. NICHT verhandelt wird/wurde eine rein allgemein theoretische Möglichkeit, ob Vergewaltigung stattgefunden haben KÖNNTE (weiss ja jeder, dass jeder Mann das „Werkzeug“ dazu hat). Auf eine solch theoretische Möglichkeit aber kann sich die -in diesem Fall also unzulässige „Anwendung“ (Missbrauch)- des „in dubio…“ Grundsatzes beziehen. Die (KONKRETE!) angeklagte Tat, hat, wie bewiesen wurde, definitiv nicht stattgefunden.
Die Krönung bildet dann die Argumentation, die Lügen und gezielten Vorbereitungshandlungen für eine Falle bzw. Falschanklage dienten dem angeblichen „Opfers“ zur Stärkung ihrer Glaubwürdigkeit (die sog. Angst, man würde Opfern nicht glauben). Was für eine geisteskranke Argumentationsschiene und Extremwiderspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung ist das denn? Welches (echte) Opfer behindert und vereitelt die Ermittlung des TATSÄCHLICHEN GESCHEHENSABLAUF den durch Lügen und falsche Fährten??? Und was für eine StA sieht in solchem „Opfer“-Gebaren nicht „Behinderung der Justiz und Ermittlungen“ oder „Verdunkelungsgefahr“ sondern „Bemühung und Glaubhaftigkeit“?????
Nein, das alles hat nicht nur ein „Geschmäkle“, es stinkt penetrant! Bis zum Himmel. Diesem Angeklagten ist derselbe „rechtliche Status“ angediehen, der in früheren Zeiten Personen von Gruppen mit Bezeichnungen wie „Neger“ oder „Jude“ ‚zugestanden‘ wurde. Und genau diesen „Status“ hat heutzutage ein „Mann“, der sich einem solchen Vorwurf ausgesetzt sieht. Und das ist nicht nur realexistierendes FAKTUM sondern auch GEWOLLT UND BEABSICHTIGT!
Rechtsbeugung_Verhindern
12. Juni 2011
Nachtrag: Ich wünsche Ihnen gut und schnelle Genesung! (Gehe davon aus „Bett hüten“ bedeutet Krankheit). Und nochmals vielen Dank für ihre richtigen und geordneten Gedanken in ihrem ausgezeichneten Kommentar!
stscherer
12. Juni 2011
Mich hinterlässt diese Urteilsbegründung auch immer ratloser. Ich gebe zu, dass ich selbst immer wieder schwanke zwischen der Annahme, Jörg Kachelmann sei unschuldig, und erheblichen Zweifeln an seiner Unschuld – vielleicht liegt das daran, dass man sich, wenn man in einer „normalen“ Beziehung und in einem „normalen“ sozialen Umfeld lebt, seinen Lebenswandel nicht vorstellen kann – und es auf der anderen Seite einfach nicht wahrhaben will, dass eine solche Geschichte wie dem Tatvorwurf zugrundeliegende aus niederen Beweggründen schlicht erfunden sein soll.
Aber genau (auch) für diese Fälle gibt es den Grundsatz „in dubio pro reo“: es braucht eben mehr als ein schlechtes Gefühl in der Magengrube und Sympathie mit dem mutmasslichen Opfer, um einem Angeklagten das Leben zu zerstören – und dies tut man immer, wenn man jemanden wegen einer Straftat verurteil, ob zu Recht oder zu Unrecht.
Es ist eine grosse Verantwortung, die einem Richter damit übertragen wird, und sehr viele Richter sind sich dieser Verantwortung bewusst und stellen sich ihr täglich. Deswegen bin ich innerlich so böse darüber, dass ein Gericht wie das in Mannheim diese Verantwortung nach meiner Einschätzung nicht angenommen hat.
Ja, diese Kammer zweifelte nicht eine Sekunde an der Schuld des Angeklagten, jedenfalls, so weit es den Vorsitzenden betrifft, davon bin ich inzwischen ganz fest überzeugt. Diese Kammer hatte nur nicht „die Eier“, wie ein bekannter Fussballer mal gesagt hat, um den Angeklagten gegen die öffentlich bekannten Tatsachen wie im Fall Witte (dem die Öffentlichkeit einfach fehlte) zu verurteilen. Und dies gibt diesem ganzen Verfahren noch eine hässliche Note zusätzlich – wobei Jörg Kachelmann natürlich froh sein kann, aufgrund faktenbefreiter Weicheier nicht erneut in Haft zu sitzen…. Personen, die die Fakten, die gegen seine Verurteilung sprechen, zwar letztendlich äusserlich und formal anerkennen, sie aber in der Begründung trotzdem inhaltlich wegwischen – und gleichzeitig nicht den Mut aufbringen, dann auch stringent eine Verurteilung auszusprechen. Und so sprechen sie ihn zwar juristisch frei, aber setzen ihn gleichzeitig einer lebenslänglichen Verurteilung aus, die sie auch noch selbst benennen.
Nun, jetzt werden sie die „Eier“ haben müssen und sich mit den Fakten in der schriftlichen Urteilsbegründung auseinander setzen müssen.
stscherer
12. Juni 2011
Danke schön! Ich bin dieses Jahr wohl gesundheitlich ein wenig anfällig…
stscherer
13. Juni 2011
Heinrich Gehrke, Richter am LG Frankfurt/Main in der Sendung Sandra Maischberger:
„Es ist nicht die Aufgabe, die Wahrheit zu erforschen, das kann es garnicht.
Es ist die Aufgabe des Gerichts, festzustellen, ob die Beweise für eine Verurteilung ausreichen.
Dies Gericht hat seine Befugnisse überschritten, es hat nachgekartet, schlimm!“
„Als Richter muss ich unterscheiden können zwischen dem, was ich glaube und dem, was ich beweisen kann!“
„Dieses Verfahren ist der Kollaps für die Strafjustiz, und das Ende ist der grösste anzunehmende Unfall!“
„Es kann in unserem Rechtsstaat doch nicht danach gehen, ob ich glaube, dass jemand das Opfer ist!“
„Es schüttelt mich, wenn ich höre, dass man das Privatleben des Angeklagten auseinander genommen hat; Herrgott, wo sind wir denn, dies kann doch nicht die Aufgabe eines Gerichts sein, denn darauf kann man die Verurteilung doch sowieso nicht stützen.“
Apartheid-No!
14. Juni 2011
Empörung, Diagnose und Sollzustandsbeschreibung („kann doch nicht“) von Richter Gehrke sind natürlich richtig. ENTSCHEIDEND ist doch aber, welche s t r a f r e c h t l i c h e n Konsequenzen zu ziehen sind, wenn StA und Richter mutmasslich gegen Recht und Gesetz verstoßen, um einer politischen (oder auch gesellschaftlichen) „Stimmung“ bzw. „Zeitgeist“ zu huldigen.
Ganz grundsätzlich dient doch das Strafrecht zur Verhinderung von Verbrechen und Schutz der Bevölkerung vor Verbrechen. Und nicht zur „Lösung“ von oder als Kampfmittel in Beziehungsproblemen. Wer es als solches m i s s b r a u c h t , mit Lügen, falschen Geschichten und v o r b e r e i t e t e n „Beweismitteln“ darf nicht straflos bleiben. Insofern ist Pflichtverteidigerin Combe zuzustimmen, wenn sie fordert, dass es nicht „sein kann“ (sollte), wenn Falschbeschuldigerinnen „keine Konsequenzen fürchten müssen“. M.E. „kann es (auch) nicht sein“, dass solches Anklagegebaren (StA) und Prozessführung (Richter) für die Beteiligten „keine Konsequenzen“ hat. Was r e g e l m ä ß i g so ist.
Viele renommierte Strafverteidiger haben bereits mehrfach kritisiert, dass es zwischen StA und Falschbeschuldigerinnen (regelmäßig!) zu einer Art Komplizenschaft kommt, weil die Verfolgung des Straftatbestandes „Herbeiführung falscher Verdächtigung“ ein schlechtes Bild auf die Ermittlungsarbeit der StA werfen würde, so dass schon die (alleinige) FESTSTELLUNG, dieser Straftat UNTERLASSEN wird (Strafvereitelung im Amt). Gerade im Falle von Sexualdelikten ist dies aber unabdingbar für die Rehabilition eines Verleumdeten. Unglücklich finde ich die Formulierung „die Wahrheit zu erforschen“. Die Wahrheit ist in solchen Fällen die gesetzliche Unschuldsvermutung. Das haben Sie in der 2. Response im letzten Absatz zutreffend erörtert. Wobei sich die Differenzierung zwischen „nicht schuldig“ und „unschuldig“ i.d.R. nur Juristen erschließen dürfte, weshalb ich diese in einer öffentlichen Diskussion so nicht unbedingt machen würde.
Verwerflich aber Faktum ist nämlich, dass die sog. „Frauenrechtlerinnen“ erreicht haben, dass jeder Mann „mutmasslicher Schuldiger“ ist (Alle Männer potentielle [mutmassliche] Vergewaltiger), wohingegen der Frau rechtlich der Status eines „unschuldigen“ (Babys) unterstellt wird. Obwohl natürlich auch -und gerade- frau WEISS, dass allein der Vorwurf v e r n i c h t e n d WIRKT – unabhängig vom Ausgang des Prozesses.
Diese Vernichtungswirkung haben die Richter in ihrer s o g e n a n n t e n Urteilsbegründung nocheinmal bestätigt und BEKRÄFTIGT – und damit den Freigesprochenen um jede Rehabilitation b e r a u b t. Wer -wie das die sog. Opferverbände selbst tun- den psychischen Aspekt einer Vergewaltigung, die Missachtung des eigenen freien Willens, gegenüber dem rein physischen in den Vordergrund stellt, der muss auch anerkennen, dass die Falschbeschuldigung nichts anderers ist, als eine ‚Vergewaltigung‘ (ohne Körperkontakt). Der Unschuldige ist inhaftiert, gesellschaftlich geächtet, existenziell ruiniert – alles gegen seinen Willen und ohne irgendein Selbstverschulden (außer dem Umstand vielleicht, die Frau nicht, oder nicht hinreichend glücklich gemacht zu haben). Damit werden schon die allg. Herausforderungen des Lebens für die Frau -zumal für solche mit dem Lebensmotto „Her mit dem schönen Leben“ (Frauendemo-Slogan)- zur „Vergewaltigung“.
Nein, die sog. „Gleichberechtigung“ hat faktisch die ÜBERBERECHTIGUNG gesellschaftlich und rechtlich etabliert. In einer Dimension, die als Geschlechter-Apartheid beschrieben werden kann/muss. In Mannheim überdeutlich p r a k t i z i e r t. Und diese Art „Rechtsprechung“ wäre skrupel- und gnadenlos bis zum Ende durchgezogen worden, hätte die „Nervensäge der Justiz“ RA Johann Schwenn nicht „gestört“.
Dass nun auch noch RA Schwenn in den Medien als Nervensäge, Krawallmacher, Rambo -trotz seines absolut tadellosen Verteidigerverhaltens und steter Wahrung von Anstand und Respekt- diffamiert, diskreditiert und in den Dreck gezogen wird, ist mehr als besorgniserregend. Irgendetwas stimmt doch nicht mehr! Eine Berufskrawallmacherin, mutmassliche Lügnerin und Demagogin, die es für legitim hält, ihre Ziele mit Belügen der Öffentlichkeit zu „erpressen“ („ich habe abgetrieben“) wird „Frauenrechtlerin“ genannt. Wohingegen ein Rechtsanwalt mit untadeliger Expertise und Benehmen als „Krawallmacher“ verleumdet wird. Alles mit tat- und rechtskräftiger Mitwirkung und Unterstützung deutscher Richter und StA!
Ps:
Höchst seltsam und „unverständlich“ ist doch auch das in der Öffentlichkeit verbreitete -die herrschende Fachmeinung ins Gegenteil verkehrende- Bild von angeblichen „Nachweisschwierigkeiten“ bei Vergewaltigungen (vgl. dazu z.B. Prof. Monika Frommel). Und das Verschweigen/Ignorieren der (hohen) Anzahl von Falschbeschuldigungen (vgl. dazu z.B. Bay. Kriminalstatistik und andere nationale und internationale Studien).
Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens auch das Gutachten von Prof. Dr. Bock zum sog. Gewaltschutzgesetz – erstellt im Auftrag der Bundesregierung. Tut mir leid, aber man könnte fast von einer „Heiligsetzung der Lüge“ sprechen, wenn man sich näher mit diesem Thema befasst.
„Es schüttelt“ Richter Gehrke zu Recht! Und mich auch.
stscherer
14. Juni 2011
Herr RiLG Gehrke hat es auf den Punkt gebracht:
„Es ist nicht die Aufgabe, die Wahrheit zu erforschen, das kann es garnicht. Es ist die Aufgabe des Gerichts, festzustellen, ob die Beweise für eine Verurteilung ausreichen.“
Das Gericht hätte sich darauf beschränken können – und vielleicht in dieser medial so aufgeheizten Atmosphäre sogar müssen, die einzelnen Beweismittel in seiner Begründung zu bewerten und dann festzustellen, dass diese Beweismittel nicht ausreichen, um eine Verurteilung zu rechtfertigen. Dass es dies nicht getan hat, verwirrt weiterhin.
Rechtsstaatbewahren
15. Juni 2011
Verwirrung?
Die sollte nicht all zu groß sein. Die Sach- und Beweislage ist sehr klar (von den Fabulierkünsten sog. Traumata- u. Psychologen einmal abgesehen, welche, wenn überhaupt, ein gegen Null tendierenden Beweiswert haben). Die Rechtslage weißt ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten auf. Nicht unbegründet konstatiert z.B. Prof. Frommel (Zitat): „Für mich hat die Staatsanwaltschaft alle Fehler gemacht, die man machen kann.“ Und „völlig unprofessionell [gehandelt]“.
Das feministische Propagandamärchen, dass es bei Vergewaltigung besondere Nachweisprobleme gäbe, wird von der Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie der Uni Kiel ebenfalls klar verneint – insbesondere bei „tatnahen Fällen“ (wie hier). Sicherlich gilt, zwischen dem (verfassungsfeindlichen) Propagandagedöns geldgieriger ExtremistInnen und BetrügerInnen einerseits, sowie Faktenlage in der realen Welt, also der Wahrheit andererseits zu unterscheiden. Was lediglich als einen allerletzten Rest Anstand und intellektueller Redlichkeit sowie den Willen, das Unterscheidbare auch wirklich zu unterscheiden, erfordert. ABC-Schützen Niveau sozusagen. Respektive Entschlossenheit, sich durch Lügen, zudem all zu durchsichtigen, nicht irritieren lassen, oder gar Einfluss auf rechtsstaatliche Strafprozesse zuzulassen. Was jedoch –besonders blindwütig und blindgläubig– von der Mannheimer StA proaktiv ‚verbrochen’ wurde.
Nicht ohne massiven Anlass meint Strafrechtlerin FRAU Prof. Frommel auch (Zitat): „Ich gehe davon aus, dass es mehr Verstöße gegen die Unschuldsvermutung gibt als früher. Es gibt heute vor allem bei männlichen Staatsanwälten und Richtern eine SCHEU, dem Opfer gegenüber misstrauisch zu sein.“ Aggressive Attacken der bekannten FanatikerInnen und erzürnter Widerspruch dürften ihr ebenso sicher sein, wie der ständige Einschüchterungskrawall einiger recht ungerechter GerechtigkeitsbrüllerInnen Wirkung bis in die Rechtssprechung hinein zeigt(e). Tatsachenresistente Fanatiker/Innen sind –egal welcher Coleur– immer eine Gefahr für Rechtsstaatlichkeit, und nicht zuletzt Freiheit und Wahrheit. „Zero Tolerance“ muss daher denen gegenüber gelten, welche das Recht missbrauchen und beugen – insbesondere wenn diesen als StA und Richter der SCHUTZ DER RECHTSORDNUNG anvertraut ist. Denn hier dürfte wohl für Jeden, der sich einen Rest Rechts- und Unrechtsempfinden bewahren konnte, „Schluss mit Lustig“ sein – egal ob Mann oder Frau.
Etwas besorgniserregend ist meines Erachtens jedoch –insbesondere in rechtlicher Hinsicht– folgende Meinung von Prof. Frommel: „Eine Vergewaltigung ist häufig kein eindeutiger Vorgang. Mehr als die Hälfte der Fälle sind diffus, das heißt: Es gibt ein gewisses ambivalentes oder gar kooperatives Verhalten der späteren Opfer. Dann kann es sein, dass sich die Frau wegen ihres eigenen Verhaltens schämt.“ Hallo??? Spontan fallen dazu Stichworte wie Rückwirkung, konkludentes Verhalten, Rechts- und Geschäftsfähigkeit usw. ein.
Es liegt nun –zum Glück– beim BGH diese Unrechtsexzesse klar zu benennen, letzte Irrungen und (Ver-) Wirrungen zu beseitigen, und dem RECHT wieder Geltung zu verschaffen. „Spannend“ ist das vor dem Hintergrund der klaren Rechts-, Sach- und Beweislage hinsichtlich Ausgang nicht sonderlich. Etwas „Spannung“ ist vielleicht hinsichtlich Klarheit, Schärfe und Offenheit seiner Ausführungen denkbar (sofern die Gelegenheit dazu von StA und Nebenklägerin nicht wieder [zurück-] genommen wird).
Ps:
Einer der Verteidiger war es, soweit ich mich richtig entsinne, der (sinngemäß) sagte: „Die Wahrheit hat ihre eigene Dynamik“. Das entspricht auch meiner Erfahrung – und gilt auch, wenn sie sich nicht immer an unsere Zeit- bzw. Terminvorstellungen hält. In diesem Sinne, freundliche Grüße, gute Genesung und Danke für ihre kompetenten Ausführungen.
stscherer
15. Juni 2011
Danke für Ihre netten Wünsche.
Schön, jemanden zu lesen, der auch unseren Rechtsstaat im wahren Sinne bewahren will – ich hatte da in letzte Zeit ja so einige Schwierigkeiten mit aktivierten Grundgesetzbewahrern, denen die Zusammenhänge eines funktionierenden Rechtsstaats nicht so klar waren…
have_a_nice_day
15. Juni 2011
Sorry, ganz so pathetisch sollte das nicht klingen.
älkhäh
15. Juni 2011
Ich hatte eher solche Fälle, wie diesen hier im Sinne:
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/02/25/haftstrafe-fur-vorgetauschte-vergewaltigung/
Und da finde ich 18 Monate Gefängnis noch „zivil“ als Strafmaß. Was wohl in D für ein Strafmaß zu erwarten wäre?