Eine abendliche Party in einem Mehrfamilienhaus. Laut und feucht ging es zu, und dies nicht zum ersten Mal. Der Mieter in der unter den Partyräumlichkeiten liegenden Wohnung war zum wiederholten Mal nicht besonders amüsiert. Er rief den ebenfalls im Haus wohnenden Vermieter zu Hilfe mit der Bitte, doch für Ruhe zu sorgen. Als dieser versuchte, die alkoholisierten Partygäste zu beruhigen, stellte sich jemand ans Fenster und brüllte übelste Beleidigungen gegen den gestörten Mieter in die Welt hinaus – der daraufhin die Polizei rief.
Als diese kurz darauf erschien, beendete sie die Party – und nahm am nächsten Tag die Anzeige des Mieters auf, der in aller Öffentlichkeit beleidigt worden war. Dieser gab allerdings zu Protokoll, er wisse nicht, wer ihn beleidigt habe, auch andere Anwohner, die die Beleidigungen gehört hatten, könnten zur Identität des Täters nichts sagen; aber der Vermieter sei doch in der Wohnung gewesen, er müsse es wissen. Die Polizei befragte darauf hin den Vermieter, wer denn die Beleidigungen vorgenommen hatte. Dieser tat unwissend: er sei zwar in der Wohnung gewesen und habe die Beleidigungen sehr wohl gehört, aber wer da jetzt beleidigt habe, das wisse er nicht; es sei wohl eine Frau gewesen, schon etwas älter, nur den Namen kenne er nicht, ihr Spitznamen sei allerdings „Susi“. Ansonsten könne er leider nicht weiterhelfen.
Die Ermittlungen der Polizei verliefen aufgrund dieser höchst bemerkenswerten Aussage zunächst im Sande – doch nach einigen Wochen meldete sich ein Zeuge: ja, er wisse, wer die Beleidigerin sei, und durch seine Angaben konnte die Polizei sie nun doch ausfindig machen. Diese wiederum war sehr überrascht, denn eine Anzeige hätte sie doch erwartet, deswegen habe sie dem Vermieter sofort noch in der Nacht ihre Daten gegeben, um zu signalisieren, dass er dann nicht ohne Unterstützung dastehe, wenn die Polizei ihn befragen würde.
Nun, die Sache könnte jetzt ziemlich dumm für den Vermieter laufen. Ich habe ihn jedenfalls in der Beratung darauf hingewiesen, dass da für ihn durchaus das Risiko besteht, wegen Strafvereitelung gemäss §258 StGB belangt zu werden. Sicherlich, sieht man sich einmal den Strafrahmen der Beleidigung an und die übrigen Voraussetzungen, unter denen diese verfolgt wird, dann war die Gefahr einer empfindlichen Sanktion für die Beleidigerin von Anfang an relativ gering. Und so könnte man durchaus annehmen, eine solche „Vergesslichkeit“ im Rahmen der Zeugenaussage während der Ermittlungen werde schon nicht so schlimm sein – zumal dann, wenn selber der Meinung ist, der Beleidigte solle sich nicht so anstellen, solche Beleidigungen seien doch heute gang und gäbe.
Aber die eigentlichen moralischen Vorstellungen eines Zeugen sind eben das Eine, und die Rechtslage das Andere: auch die §185ff. StGB sind Ausgangsdelikte für das Anschlussdelikt des §258 StGB, und wenn im Nachhinein der Täter des Ausgangsdelikt ermittelt wird und dieser dann frank und frei aufklärt, dass der angehörte Zeuge ziemlich auffällig von nicht nachvollziehbare und deswegen äusserst unglaubwürdiger Vergesslichkeit gepeinigt wird, dann kann das schon mal zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.
Denn strafbar gemäss §258 StGB ist die absichtliche oder wissentliche Vereitelung der Bestrafung eines Täters oder eines Teilnehmers einer rechtswidrigen Tat, wobei diese Vortat noch nicht einmal vorsätzlich, sondern sogar auch nur fahrlässig begangen worden sein kann. Geschützt wird durch §258 StGB die Strafrechtspflege in ihrer Aufgabe, Strafen zu verhängen und zu vollstrecken. Und weil es bei einer solchen Strafvereitelung um den Schutz eines Rechtsgut geht, das nicht zuletzt die öffentliche Sicherheit und Ordnung betrifft, ist die Strafandrohung durchaus höher als bei einer Beleidigung, nämlich immerhin Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Oder, um es plakativ zu sagen: die Strafrechtspflege schätzt es nicht besonders, wenn nicht sie über die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung entscheiden kann, sondern sich ein Anderer anmasst, durch sein Tun (oder Nichttun) darüber zu befinden, ob eine Straftat verfolgt wird – oder ob er aus welchen Gründen auch immer (und halte er sie auch für noch so moralisch gerechtfertigt) eben vereitelt.
Dem Vermieter ist jedenfalls inzwischen ziemlich unwohl in seiner Haut – und ich hoffe für ihn, dass die Strafverfolgungsbehörden beide Augen zumachen und übersehen, wie „vergesslich“ er bei seiner Aussage war… ich allerdings kann jedem in einer solchen Situation nur raten, spätestens dann, wenn er als Zeuge angehört wird, lieber bei der (vollen) Wahrheit zu bleiben – und seine eigenen moralischen Wertungen aussen vor zu lassen.
Photo: www.pixelio.de
Miraculix
17. August 2012
Niemand ist verpflichtet bei der Polizei eine Aussage zu machen.
Auch in diesem Fall wäre das die richtige Entscheidung gewesen!
stscherer
17. August 2012
Stimmt! Nur wenn man eine Aussage macht, dann muss es die volle Wahrheit sein.
Rechtsanwalt Jens Hake
18. August 2012
Vielfach unbekannt ist eben, dass zwar der Beschuldigte schweigen oder lügen darf, nicht jedoch ein Zeuge. Er ist zunächst nur ein Beweismittel.
stscherer
18. August 2012
Ihr Hinweis ist vollkommen richtig, allerdings muss der Zeuge gegenüber der Polizei keine Aussage machen – nur, wenn er sie macht, dann muss sie eben vollständig und richtig sein.
Frank Georg Bechyna
20. August 2012
Sehr geehrter Herr Scherer :
Zweimal in meinem leben war ich als zeuge geladen .
( 1 ) Landgericht Düsseldorf ca. 1977 / 1978 .
X. ( 0pder doch Y. und Z. ) sollen sich nach seinem massiven . lauten Rammen mit einer Anhängerkupplung des fahinterstehenden PKWs unerlaubt vom Unfallort entfernt haben . Der Sachschaden war nicht zu übersehen .
Als Zeugen meldeten sich bei der sofort herbeigerufen Poliei der beamte Li. und der versicherungsmakler Lu, die wta 5 – 10 meter vom Unfallort entfernt gestanden haben . Meine eigen entfernung war ca. 7 Meter gewesen .
Weil das Essener nummernschild übereinstimmend beannt werden konnte und auch der PKW – Ryp genau beschriben werden konnte ( Fabrikat, Modell , Darbe und eben die Anhängerkupplung ) konnte der Wagen ermittelt werden . Ebenso der Eigentümer mit Adresse in essen .
Es tat sich Ersatunliches : Mein Nachbar Li. wollte ein Ehepaar geshen haben, Lu. von gegenüber vier Personen wie ich auch .
X. wurde in Essen in seinem haus gestellt . X. , ein selbstädniger Kaufmann, behauptete , nicht gefahren zu sein. Die sei seine Frau geewsen . Die alte dame, Mutter des X. soll gar vorne neben der Schwiegertochter gesessen haben . Die Tochter , eine im juritsichen Sinn Heranwachsende , bot eine weitere geschichte über hergang wie Fahrer : Man habe gar nichts gehört , weil Papa immer das Radio sofort laut aufdrehe .
Der versicherungsmakler Lu. ein Fuchs , wusste wohl sofort, was in solchen fällen alles möglich sein könnte . er beauftrage einen Rechtsanwalt der versicherungsgesellschaft , für die er selbt u.a. tätig war .
Die 3 Berufsrichter fanxden da alles wenig listig wie sie von dem Angeklagten X. belogen worden waren . Und auch nicht, dass die Angehöriegn inzwischen ihre “ Strategie “ geändert hatten .
Die Heranwachsende musste eingehendst , nicht nur oberflächlich , über ihre Wahrheitspflicht aufgeklärt werden und die möglichen Folgen einer Falschaussage .
Und auch die alte Dame , die wohl doch immer hinten gesessen hatte .
X. wurde – aus meiner sicht – hoch bestradt .
Dazu kamen denn zivilrechtliche Klagen .
F a z i t .
es ist sehr viel besser , sofort einen rechtsanwalt zu beauftragen .
Und es ist sicherlich sehr viel kostengünstiger als prozesse druchstehen zu müssen .Dies gilt , aus heutiger Sicht, auch ggf. für einen zeugen .
Mit freundlichen Grüssen
Frank G. Bechyna