Kennen Sie das Jugendbuch „Gepäckschein 666“ von Alfred Weidemann? Es ist ein Klassiker der Jugendliteratur und mir vor kurzem wieder in die Hände gefallen, als ich für meinen sechsjährigen Sohn die alten Bücher durchsucht habe, die ich aufgehoben habe. In dem Buch klärt eine Gruppe von Jugendlichen, die sich mit Schuheputzen ihr Geld im Nachkriegshamburg verdient, einen Bankraub auf. Der Bankraub selbst war dabei äusserst spektakulär, fand er nämlich am helllichten Tage mitten in der City statt: die Bankräuber hatten sich als Filmteam getarnt, die „richtige“ Polizei hatte bei den „falschen“ Dreharbeiten geholfen, die Strassen abgesperrt und die Abfahrt der vermeintlich seriösen Filmer gesichert – und so erst die Straftat ermöglicht.
Die Szene dort in dem Buch fiel mir automatisch ein, als ich eine aktuelle Presseerklärung zu „Stuttgart 21“ las – und mich wieder erinnerte an dieses umstrittene Bahnprojekt. Ich hatte schon vor etwa einem Jahr einige Blogeinträge hierzu eingestellt, und auch diese beschäftigten sich mit der Frage, ob die dortige Baumfällaktion rechtswidrig war – eine Baumfällaktion, die massiv durch die Polizei geschützt wurde, so massiv, dass die Bürgerproteste am Ende niedergemacht und eine Reihe von Demonstranten teilweise schwerst verletzt waren. Bis heute rechtfertigt die Polizeiführung diesen Einsatz damit, dass man rechtmässige Aktionen der Deutschen Bahn vor Ort gegen rechtswidrige Störungen habe sichern müssen.
Und nun dieser Artikel nicht nur in der „Stuttgarter Zeitung“:
„Die Baumfällarbeiten der Deutschen Bahn für das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ haben juristische Folgen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft habe einen Strafbefehl gegen drei Männer im Alter von 31 bis 51 Jahren beantragt, sagte eine Sprecherin der Behörde der Nachrichtenagentur dapd am Freitag. Den Männern werde vorgeworfen, gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen zu haben.
Bei den Beschuldigten handelt es sich den Angaben zufolge um einen Projektabschnittsleiter, einen Projektingenieur und einen Beauftragten für Umweltschutz der Firma, die die Baumfällungen plante. Die Männer sollen im Oktober 2010 die Fällung einer großen Platane im Schlossgarten veranlasst haben, obwohl sie wussten, dass in dem Baum möglicherweise die geschützten Juchtenkäfer lebten. Nachträglich seien in dem Baum tatsächlich Juchtenkäferlarven gefunden worden.
Es habe zu dem Käfervorkommen ein entsprechendes Gutachten gegeben, sagte die Sprecherin weiter. Dieses hätten die Beschuldigten jedoch zunächst zurückgehalten, um eine Verzögerung der Baumfällarbeiten zu vermeiden. Sie hätten das Gutachten erst wenige Stunden vor den geplanten Fällungen an das Eisenbahnbundesamt (EBA) als zuständige Behörde weitergeleitet.“ (Stuttgart 21: Baumfällarbeiten haben Nachspiel – Stuttgart 21 – Stuttgarter Zeitung).
Nun beantragen Staatsanwaltschaften Strafbefehle ja in der Regel bei eindeutigen Sachverhalten – und so kann man wohl davon ausgehen, dass das zuständige Strafgericht diese Strafbefehle auch erlassen wird. Und dies wiederum würde inzident bestätigen: das Baumfällen war – zumindest teilweise nicht nur rechtswidrig, sondern erfüllte auch objektiv einen Straftatbestand.
Deswegen kann man schon einmal zur Dimension dieser Entscheidungen spekulieren, denn offensichtlich ist es doch, dass diese drei Männer, denen man jetzt die Verantwortung zuschiebt, die Bauernopfer in einem viel grösseren Spiel sind.
Gesichert ist inzwischen, dass mindestens in einem der gefällten Bäume Larven des unter Naturschutz stehenden Juchtenkäfers zu finden waren. Nun ist natürlich jedem Beteiligten klar, dass es in diesem Streit nicht um den Bestand dieser Käferart geht, sondern darum, dass ein Grosskonzern wie die Deutsche Bahn im Zusammenspiel mit der Politik und offensichtlich gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ein Mammutprojekt mitten in einer der deutschen Großstädte mit der höchsten Lebensqualität durchpeitschen will – und damit nicht gerade kleine Teile des innerstädtischen Bereichs, der jetzt von Bahnanlagen und Grünflächen belegt wird, dem spekulativen Immobilienmarkt zugänglich machen kann. Das durchschaut eigentlich jeder, der sich ein bisschenmit den Hintergründen beschäftigt – und jeder erkennt, welche finanziellen Hintergründe dieses ganze Projekt für einige Wenige hat.
Aber, wie in so vielen Streitigkeiten, der eigentliche Punkt ist nicht oder nur sehr schwer justiziabel, und so sucht man nach anderen Hebeln, die vielleicht nicht den Kern der eigenen Sache treffen, aber diesen effektiv schützen – und so ist es der Juchtenkäfer, der nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses des des Baden-Würtembergischen Landtags zwar nicht alle, aber immerhin einen Grossteil der dortigen Platanen vor der Abholzung bewahrt hat, der eine wichtige Rolle im Schutz dieser innerstädtischen Flächen einnimmt.
Zurück zur Baumfällaktion im Interesse des Kapitals: Waren es wirklich nur die 3 Herrschaften aus einer der hinteren Reihen der Unternehmenshierarchie, die Kenntnisse von den Larven und damit von der Rechtswidrigkeit hatten? Kaum zu glauben, und tatsächlich gibt es konkrete Anhaltspunkte, dass sowohl die Deutsche Bahn als auch das Eisenbahnbundesamt sowie das Stuttgarter Regierungspräsidium Kenntnisse von dem Sachverhalt hatten, dass das Abholzen der Platanen gegen das Gesetz verstösst – und es ist letztlich wohl nicht abwegig, zu vermuten, dass auch Landesministerien in den mindestens in den Informationsfluss, wenn nicht sogar in den Entscheidungsprozess einbezogen waren.
Tatsache ist jedenfalls, dass die Deutsche Bahn es nicht für nötig hielt, dem Verwaltungsgericht im Rahmen einer Eilentscheidung vor der Aktion alle bekannten Fakten mitzuteilen, so zB. das Schreiben des Eisenbahnbundesamtes, mit dem die Baumfällungen gestoppt werden sollten (Verwaltungsgericht Stuttgart – Eilverfahren wegen Baumfällarbeiten im mittleren Schlossgarten in Stuttgart beendet -Deutsche Bahn Netz AG trägt die Verfahrenskosten).
Aber spekulieren wir weiter über die Folgen einer rechtswidrigen, gegen einen Staftatbestand verstossenden Baufällaktion: waren denn dann die Polizeiführer, die das massive Einschreiten gegen Demonstranten befahlen – und damit letztendlich die Verantwortung für die massiven Verletzungen zB. bei Dietrich Wagner, der fast sein gesamtes Sehvermögen durch einen Wasserwerferbeschuss verlor – tragen, so ahnungslos über den Charakter der Aktion?
Es ist für mich schwer zu glauben, dass die Informationswege in einer so sensiblen Angelegenheit wie dem massiven Polizeieinsatz gegen demonstrierende Bürger mitten in einer Landeshauptstadt tatsächlich so gänzlich verschlossen waren.
Aber selbst wenn, was ändert das? Sicherlich kann man dann den handelnden Personen bei den Ordnungsbehörden keine persönliche Schuld zuweisen, aber auf den Charakter der Polizeiaktionen an sich hat das nach meiner persönlichen Einschätzung keine Auswirkungen: das Fällen der Bäume war nicht nur eine rechtswidrige Aktion, sondern erfüllte nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Stuttgart einen Straftatbestand. Und damit hat die Polizei mit ihren Aktionen eine Straftat nicht nur geschützt, sondern sogar erst ermöglicht, denn sie unterband, dass die demonstrierende Bevölkerung die Begehung dieser Straftat verhinderte.
Man muss es sich schon genau vor Augen führen: die Mitarbeiter eines Unternehmens begehen anscheinend in aller Öffentlichkeit eine Straftat, um die auch von Profitabsicht getragenen Interessen ihres Unternehmens zu befördern, öffentliche Behörden haben davon Kenntnis und schreiten nicht effektiv ein, Gerichten werden wichtige Informationen vorenthalten – und am Ende schlägt die Polizei den Bürgerwiderstand mit einer in der Vergangenheit allenfalls aus Gorleben und Brokdorf bekannten Rigorosität nieder.
Es lohnt sich, wieder näher zu schauen auf den Konflikt in Stuttgart, der anscheinend auch den mit grossen Vorschusslorbeeren bedachten grünen Ministerpräsidenten vor Ort schlicht überfordert – ich werde jedenfalls die Umstände genauer im Auge behalten…
Dies nähere Hinschauen ist allein deshalb dringend nötig, weil wohl die Polizeiführung in Stuttgart nicht viel gelernt hat, setzt sie aktuell anscheinend erneut auf Konfrontation: auf dem Platz des Volksfestes „Cannstatter Wasen“ plant man die Errichtung eines Containerdorfes, um dort aufmüpfige Bürger bei zukünftigen Protesten einsperren zu können (Klick). Der Volksmund hat schon einen passenden Ausdruck für diese neue staatliche Unterbringungsmöglichkeit: „Containamo“!
Hoffentlich ist die Polizeiführung demnächst besser im Bilde, ob sie gerade Straftaten verhindert oder Straftaten ermöglicht – und, welche Mittel angemessen sind im Rahmen von verfassungsrechtlich geschützten Bürgerprotesten…
Photo: parkschützer.de
Gast
6. November 2011
So werden Juchtenkäferrechte zu „Bürgerrechten“ – toll!
sod
6. November 2011
gute Analyse. Die Polizei hat einen Rechtsbruch geschützt. Ein unglaublicher Vorgang!
Andrea
6. November 2011
Vielen Dank für diese wunderbar klare Analyse.
Tourix
6. November 2011
Der Zusammenhang lässt sich leider nicht erkennen.
Wie sollte die Polizei von dieser „Straftat“ wissen ?
stscherer
6. November 2011
Das ist tatsächlich eine spannende Frage: wussten die Polizeibehörden davon, dass die Baumfällaktion rechtswidrig war – und wenn nicht, warum wussten gerade sie nichts davon?
Haben Sie dafür eine Erklärung? Dafür würden sich einige Menschen sicherlich sehr interessieren…
Allerdings stellt sich mir noch eine ganz andere Frage, wie Sie sicherlich gelesen haben: selbst wenn die Polizeibehörden nichts gewusst haben, ändert dies etwas an der Rechtswidrigkeit der Polizeiaktion – unterstellt, die Baumfällaktion war rechtswidrig?
Dafür schulden Sie mir jetzt eine Antwort…
Frank Georg Bechyna
6. November 2011
Sehr geehrter Herr Scherer !
Poliei wie Polizeibeamte standen schon immer im Licht von strafrechtlichen Ermittlungen. Daraus geworden ist eigentlich nie etwas. Da ist die Omertà . Überall , wo diese Seilschaften das Recht brechen , sind tiefes und langes Schweigen angesagt .
Der Bürger , besonders Kinder , gehen davon aus, dass Polizeibeamte ( wie Bundeswehrsoldaten ) besonders gut geschulte Hüter und Verfechter einer rechtsstaatlichen Ordnung sind . Ist das so ?
Polizisten wie Soldatinnen / Soldaten setzen möglichst 1 zu 1 das um , was sie von ihren Vorgesetzten befohlen bekommen ( haben ) .
Das entbindet sie aber nicht, sich ggf. an die Öffentlichkeit zu wenden und den Gehorsam zu verweigern bzw, selbst Strafanzeigen zu stellen . Ich kenne keinen einzigen Fall , in dem dies erfolgt wäre . Von einem Erfolg ganz zu schweigen .
Und : Polizeibeamte , wie Soldatinnen / Soldaten , sind niemals “ nur Mitläufer “ !
Im übrigen wäre es sehr naiv, wenn jemand annimmt , dass es bei solchen Milliarden – Euro – Projekten nicht vorrangig um Geld geht .
Aus Frankreich wie Italien und den USA wissen wir doch , wie die Mächtigen ihr System finanzieren .
Der Bürger in Baden – Württemberg hat am 27. November 2011 die Chance bei JA ein Kreuz zu machen. Damit wäre dier Bauwahn von CDU , FDP und SPD vernichtet .
JA bedeuet Nein zu “ Stuttgart 21 “ .
Mit besten Grüssen
Frank G. Bechyna
0711calling
6. November 2011
Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.
Tourix
7. November 2011
Hallo Herr Scherer, ich vermute sie sind im Zivilrecht tätig.
Schauen sie sich mal die §§ 16 und 17 StGB an.
Und wie sollte die Polizei Ahnung von irgendwelchen teilweise irrsinnigen Naturschutzgesetzen haben ? Im allgemeinen kennt die Polizei die Paragraphen, mit denen sie am meisten zu tun hat. Aber ganz bestimmt nicht derartigen Kram.
stscherer
7. November 2011
Ich merke, dass Sie wohl nicht in einem rechtswissenschaftlichen Bereich tätig sind. Denn die Prüfung eines Straftatbestandes und die Prüfung von Rechtswidrigkeit und Schuld einschliesslich der Einordnung von §16 StGB (Irrtum über Tatumstände) und §17 StGB (Verbotsirrtum) sind Ihnen offensichtlich komplett fremd.
Überaus interessant finde ich allerdings, dass Sie den Polizeibehörden die Kenntnis der Gesetze absprechen – und daraus herleiten, diejenige Behörde, die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständige Behörde müsse sich nur an die Gesetze halten, die sie auch kennt. Dann kommt es also auf den jeweiligen Wissenstand eines Polizeiführers an, ob er eingreift oder nicht; nun, damit hebeln Sie mit einem anscheinend nicht ansatzweise durchdachten Satz das gesamte Rechtstaatsprinzip (und damit einen Eckpfeiler unserer Demokratie) aus den Angeln. Bei ihnen gilt also: „Was ich nicht weiss, dass macht mich nicht heiss!“ anstatt „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!“. Oder gilt bei Ihnen, dass diejenigen Gesetze, die Ihnen gefallen, durch die Polizei zu schützen sind, diejenigen allerdings, die Sie als irrsinnig ansehen, könne man getrost ignorieren. Dazu denke sich jetzt jeder seinen Teil selbst.
So weit Sie den gesetzlichen Schutz der Natur als „irrsinnig“ ansehen, so bitte ich Sie, den demokratischen Weg zu wählen und um die Abschaffung dieser Gesetze zu streiten – allerdings bedenken Sie, dass Sie dazu genau diejenigen Rechte in Anspruch nehmen müssen, die die Demonstranten in Stuttgart für sich in Anspruch nehmen; und seien Sie nicht böse auf die Polizei, wenn die dann nicht so genau weiss, welche Gesetze gelten und welche nicht (oder welche Sie gerne geschützt hätten und welche nicht) – und dann Ihren Widerstand gegen geltenden Gesetze kategorisch (ein nettes Wort für die Vorkommnisse am 30.09.) unterbindet. Bis dahin aber wäre es schön, wenn Sie geltende Gesetze respektieren würden, und der Polizei nicht zugestehen, sie dürfe geltendes Recht einfach ignorieren, weil sie damit nicht so häufig befasst ist.
Zu §16 und §17 StGB: ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft diese Normen in Bezug auf diejenigen Personen, die nun einen Strafbefehl erhalten sollen, geprüft hat. Und selbst bei einer Anwendung der §16 oder §17 StGB hätten wir eine tatbestandsmässige und rechtswidrige Vortat, denn nur die persönliche Schuld der Handelnden wäre entfallen. Im Polizei- und Ordnungsrecht allerdings gelten nun einmal die §16 und §17 StGB nicht, sodass die Polizei keine Mittel zur Durchsetzung einer strafbaren Handlung anwenden darf – können tut sie es, doch eben nicht rechtmässig.
Bleibt also nur die Frage, ob für die im Einsatz tätigen Polizisten persönlich die §16 oder §17 StGB streiten – oder es bei Ihnen schon am Vorsatz fehlt (nach dem alten Satz: „Befehl ist Befehl“ – ein Satz, der zwar nach meiner Einschätzung in modernen militärischen oder paramilitärischen Organisationen im Rahmen von demokratisch verfassten Staaten überholt sein müsste, aber leider immer noch in manchen Köpfen herumspukt). Dies mag sein, ist aber nicht der Ansatz, mit dem ich mich beschäftigt habe: mir geht es darum, dass ein nicht von der Hand zu weisender Verdacht besteht, dass die Polizeibehörden in Stuttgart mit Mitteln des Ordnungsrechts eine strafbare Handlung geschützt und vielleicht sogar erst ermöglicht und dabei massiv das verfassungsrechtlich garantierte Demonstrationsrecht verletzt haben – und das fände ich dann tatsächlich deutlich irrsinniger als Gesetzesnormen, die stark gefährdete Arten vor dem Aussterben schützen.
Tourix
7. November 2011
Sie machen es sich ein bisschen zu leicht.
Lesen sie sich doch mal durch folgenden Link durch:
http://www.wiete-strafrecht.de/User/Darstellung/StGB/16%20StGB.html
Und was den Naturschutz betrifft, so bin ich keinesfalls dagegen (ich bin sogar aktiv),
wehre mich aber gegen Ausuferungen, die im Namen des Naturschutzes geschehen.
stscherer
7. November 2011
Und Sie machen es sich definitiv zu leicht, mir einfach Links zu schicken, in denen sich theoretische Ausführungen zu Rechtsproblemen befinden.
Noch einmal, es geht mir nicht um die individuelle Schuld eines Polizisten, sondern um die Frage, ob eine staatliche Organisation die Begehung einer Straftat ermöglicht, jedenfalls aber geschützt hat. Und dass die Organisation Polizei nicht von der mutmasslichen Rechtswidrigkeit ihrer Tat über die §§16, 17 StGB „entschuldet“ werden kann, wird Ihnen jeder Jurastudent im 2. Semester bestätigen.
Ich finde es ausgesprochen positiv, wenn Sie im Umweltschutz aktiv sind – nur wie können Sie dann Gesetze, die das Biotop einer stark gefährdeten Art schützen, als irrsinnig bezeichnen? Ich gebe zu, dass der Juchtenkäfer nicht die Ausstrahlung des Pandabärchens hat – aber darf man deshalb seinen Lebensraum zerstören, um unterirdische Bahnhöfe zu bauen (oder Luxusappartements in Citylage)?
Tourix
7. November 2011
Die Organisation Polizei unterliegt dem Innenministerium des jeweiligen Landes. Oberster Verantwortlicher ist der Innenminister.
Eine Person!
Es werden vor allem bei Straßenbauten Populationen von seltenen Tieren entdeckt.
Das liegt einfach daran, dass diese Tiere in keinster Weise kartographiert werden. Wie auch? Dementsprechend gibt es nur lokale Berichte von örtlichen Fachleuten von den Funden seltener Tiere. Blos die meisten Tiere sind wohl nur deswegen selten, weil keiner danach sucht. Es ist schon oft geschehen, dass angeblich seltene Tiere, wegen denen ein Millionenteurer Umbau von Straßentrassen gebaut wird, später in großen Mengen gefunden werden und von den roten Listen gestrichen werden.
Man sollte viel eher nach dem Umfeld gehen. Aber hier findet man eigentlich alle nur erdenklichen Bedinungen für Tiere in rauehn Mengen. Das ist ganz was anderes, als beispielsweise Madagaskar, wo in absehbarer Zeit hochinteressante Tiere unwiederbringlich aussterben werden.
Das Hauptproblem in Deutschland ist die selten gewordene Nutzung im alten Stil. Keiner will mehr was machen, aber klauen von den Streuobstwiesen wie die Raben. Die Landwirte werden gezwungen ihre Böden im bestimmten Rahemn zu nutzen, und so weiter und so fort. Dadurch fallen ganz bestimmte Lebensräume weg. Und auch die Naturschutzbehörde tragen durch ihre restriktive Haltung dazu bei. Beispielsweise mussten hier Fledermauskästen wieder abgebaut werden. Erklären kann das keiner, aber so will es die untere Naturschutzbehörde
stscherer
7. November 2011
Sie offenbaren eine grandiose Unkenntnis.
Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit mag es eine Rolle spielen, ob hinter „dem Innenminister“ eine Person steht oder nicht, verwaltungsrechtlich ist das völlig irrelevant, weil „der Minister“ keine natürliche Person ist. Bitte, informieren Sie sich ein bisschen über die Grundzüge unseres Staatswesens.
Über die Bekanntheit der Population des Juchtenkäfers werden Sie morgen mehr lesen, versprochen. Vorab sei Ihnen aber gesagt, dass man einer Reihe von öffentlichen Quellen entnahmen kann, dass das Vorhandensein der Population dem Regierungspräsidium Stuttgart schon mindestens seit Ende 2007 bekannt war. Wollen Sie etwa das Artenschutzprogramm des Landes Baden-Württemberg als „lokalen Bericht örtlicher Fachleute“ abtun.
Ob und inwieweit man nach dem juchtenkäfer nicht hinreichend gesucht hat, weiss ich nicht, ich weiss allerdings, das er schon längere Zeit unter Beobachtung steht und seine Population stark gefährdet ist.
Überhaupt nicht verstehe ich das Argument, man müsse sich mehr Sorgen um das Aussterben von Arten in Madagaskar kümmern als um solche in Deutschland – mit Verlaub, ich lebe in Deutschland und habe – derzeit – kein Interesse, für meine Familie und mich einen Zweitwohnsitz im Ausland zu errichten.
Allerdings geht es darum gar nicht: es ist einfach verboten, ein Biotop des Juchtenkäfers zu zerstören. Wie Sie diese Gesetzeslage ändern können, hatte ich schon beschrieben, und bis Sie diese Änderung durchgesetzt haben, ist die Rechtslage anzuerkennen: von Ihnen, von der Deutschen Bahn, von der Polizei – und natürlich auch vom Innenminister (persönlich und noch mehr als Institution).
Zu Ihren sonstigen Problemen vor Ort kann ich wenig sagen, nur: rechtfertigt das unter Umständen das falsche Verhalten der unteren Naturschutzbehörde in einem anderen Fall das Verhalten der Bauunternehmen und der Polizei im Fall Stuttgart 21? Eher nicht, oder?
Heiko
8. November 2011
Interessanter Artikel. Besonders als betroffener Bürger in BaWü. Wenn dieser Unterwelt-Bahnhof gebaut wird, war es mal mit der so tollen Lebensqualität in Stuttgart:
Ca. 20 Jahre Chaos in Stuttgart und im Verkehrsnetz egal ob S-Bahn oder U-Bahn oder Regionalbahn.
Ein dunkles Loch als Bahnhof. Ständige Beleuchtung ist notwendig, anstatt preiswertes, gesundes Tageslicht.
„Tolle Pseudobullaugen welche wohl mit hohen Zäunen vor Vandalismus und Graffiti geschützt werden muß (Ich könnte mir vorstellen, dieser komplette Deckel mit seinen gigantischen Ausmaßen muß später mal gegen Vandalismus und Zerstörung geschützt = gesperrt werden…Bäume können auch nicht drauf wachsen…trotz der tollen Bildchen der S-21 Befürworter.
Ein Talkessel welcher noch mehr von der Frischluft abgeschlossen ist. Das Gleisvorfeld dient als Frischluftschneise und kühlt die Stadt. Wer schonmal im Sommer nachts in Stuttgart weiß das. Der Talkessel ist irrsinnig aufgeheizt. Die warme Abgassluft kann aufgrund der Thermik nur schwer aufsteigen (Deshalb auch die hohen Abgasskonzentrationen).
Die Sauerstoffversorgung nimmt ab. Diese alten Bäume sind lt. Berichten von Fachleuten enorme Sauerstoffproduzenten. Um diese zu ersetzen müsste praktisch der komplette Park mit Jungbäumen zugepflanzt werden (Dann siehts aus wie im Schwarzwald – nur Bäume). Ein großer alter Baum produziert ca. 1000x soviel Sauerstoff wie in ein kleiner Baum welche als Ersatz gepflanzt werden sollen. Wers nicht glaubt soll bitte mal eine der großen Suchmaschinen hierzu bemühen..
Auch bindet so ein Stadtwald mit alten Bäumen auch eine enorme Menge an Staub…
Dieser Bau kann (wird) die Stadt Stuttgart in den Ruin treiben. Leider haben die vorherigen Regierungen mit dem praktisch umöglichen Gesetz des Bürgerentscheids schon praktisch vorgesorgt. Es ist schwer möglich das notwendige Qorum für ein JA und dem Ausstieg aus diesem Prestigeobjekt zu erreichen.
P.S. 1 Als kleine Korrektur zum tollen Artikel: Canstatter Wasen schreibt sich mit W nicht mit V
P.S. 2 Ich bin kein Grüner Spinner. Mein Auto hat knapp 250 PS…was nicht wirklich dazu beiträgt meinen Ökologischen Fußabdruck kleiner zu machen. Aber in Stuttgart wird ein Finanzielles Monster geboren, welche den Rest der Republik noch zu spüren bekommt.
http://www.austeiga.de
stscherer
8. November 2011
Den Schreibfehler habe ich korrigiert – vielen Dank für den Hinweis!
Über die Auswirkungen des gesamten Bahnhofsprojekts mute ich mir kein Urteil zu – allerdings habe ich gelesen, dass auch andere Großstädte ähnliche Projekte planten – und dann verworfen haben. Und natürlich kenne ich die Schwierigkeiten, die schon ein vergleichsweise kleines Tunnelnetz wie das der U-Bahn in Hannover verursacht – nicht zu vergessen die dort in den siebziger Jahren gebaute unterirdische Ladenstrasse, die über viele Jahre ein Schandfleck war.
Es ist tatsächlich erstaunlich, wie hier ein Projekt gegen massiven Bürgerprotest durchgepeitscht wird – das kann eigentlich nicht allein dem Ziel einer Verbesserung der Infrastruktur dienen….
Christoph Klipstein
9. Dezember 2011
Hoffentlich tut sich etwas in der Angelegenheit. Mein Kommentar zum Polizeieinsatz u. Stuttgart 21:
Die folgende Dokumentation unserer Anzeige im diesbezüglichen Zusammenhang spricht für sich!
Landespolizeidirektion Stuttgart 1
Neckarstr.
1670190 Stuttgart Christoph Klipstein
Am Hang 2
88147 Achberg
16. Oktober 2010
Betreff:
Strafanzeige gegen Herrn Innenminister Heribert Rech wegen Beleidigung, übler Nachrede und Volksverhetzung, sowie Strafanzeige gegen Polizeipräsident Siegfried Stumpf und Unbekannt wegen vorsätzlicher, sowie fahrlässiger grober Körperverletzung.
Diese Anzeige ist eingefasst in einen religiös, ethisch philosophischen Rahmen, als sprachlich künstlerischer Versuch einen reinen Rechtsakt zugleich als künstlerische Aktion menschenwürdiger Anzeigenerstattung zu gestalten — im Sinne des auf das soziale Leben erweiterten Kunstbegriffes von Joseph Beuys, „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (inbegriffen Demonstranten und Polizisten).
Prolog
Zum zeitlichen Rahmen der aktuellen Ereignisse zu Stuttgart 21 im Kreis der religiösen Jahresfeste:
Wir befinden uns in der Michaelizeit des Jahres 2010 — am 29. September war der kirchliche Gedenktag des heiligen Erzengels.
Unsere Altforderen nannten ihn in alter Zeit:
Das Antlitz Christi
in noch älterer Zeit:
Das Antlitz Jehovas
„Michael mit der Waage steht, wägt das Korn und die Spreu verweht …“
Wird Stuttgart 21 im heurigen Herbst einmal der Anlass sein, dass wir die Michaelizeit dieses Jahres mit Entängstigung und Ermutigung zu Initiativen assoziieren, die sich einmischen und schließlich in die Hand nehmen, was uns alle betrifft? Initiativen, die Wahrheit, Solidarität und nicht nur mehr Demokratie sondern die ganze Demokratie wagen und die sich nicht unterdrücken lassen, wenn es um die Menschenwürde geht?
Pravda vitezi´ — Die Wahrheit wird siegen — tschechischer Wappenspruch.
Dieser Satz geht auf den Kirchenreformator Jan Hus zurück und hieß ursprünglich:
Pravda s Bohem vitezi´ – Die Wahrheit Gottes wird siegen
“Aus dieser Stadt, dem Stutengarten, wird einmal ein Rösslein entspringen, auf dem die Menschheit in den Himmel reitet …” Nach einer Legende soll Jan Hus diese Worte in Stuttgart gesprochen haben, als er sich auf seiner Reise nach Konstanz befand, wo er dann auf dem Konzil am 6. Juli 1415, seine Widersacher vom Scheiterhaufen herab segnend, als Märtyrer verbrannt wurde.
“Stehe immer in der erkannten Wahrheit!”
Alexander Solschenizin
“Die Freiheit, Genosse Lenin, ist immer die Freiheit des Andersdenkenden …”
Rosa Luxemburg
Eine Stimme zu Solidarität und Wahrheit aus der Solidarnoscbewegung unserer polnischen Nachbarn:
Was bedeutet dieses alte und zugleich neue Wort „Solidarität“? Wozu ruft es auf? Welche Erinnerungen weckt es in uns? Will man die genauere Bedeutung dieses Wortes erfassen, so muss man wohl nach dem Evangelium greifen und nach seiner Herkunft suchen. Den Sinn des Wortes erfasst Jesus Christus: „Einer trage des anderen Last, so erfüllt ihr das Gesetz Gottes.“ Wir sind alle miteinander verbunden, auch wenn wir nichts davon wissen.
Was ist Arbeit? … Arbeit ist eine besondere Form des Gespächs. In einem Gespräch tauschen die Menschen untereinander Worte aus. … So wie die Rede wahrhaftig oder falsch sein kann, so auch die Arbeit. Das unmittelbare Ziel der Arbeit ist ihre Frucht – das Produkt. Diese Frucht ist wie ein zur rechten Zeit gesprochenes Wort. … Menschen die arbeiten und zusammenarbeiten, müssen versuchen,“in der Wahrheit zu leben“. Keiner darf durch die Arbeit seinen nächsten belügen. Dann nämlich wäre die Arbeit ein Gestotter. Eine Arbeit, die lügt, heißt Ausbeutung. Sobald man sich der Ausbeutung bewusst wird, vespürt man einen Schmerz – wie bei einer Lüge.
Pater Jozef Tischner, in einer Predikt für die Solidarnosc auf dem Krakauer Wawel, 19. Okt. 1980 – und in einem Aufsatz „Arbeit“
Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen, sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.
Rudolf Steiner, in seiner „Philosophie der Freiheit“
Wahrheiten von gestern können Lügen von morgen werden, wenn man sie dogmatisch verengt oder die inzwischen veränderte Zeitsituation nicht beachtet.
Als Sklave seiner Ideen wird der Mensch zum Fundamentalisten, zum Ideologen eines Wahns.
Jedoch der schrecklichste der Schrecken? Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Friedrich Schiller
Die Deutsche Bahn im Börsenwahn?
Im Wahn nehmen es die Entscheidungsträger mit der Wahrheit nicht so genau:
“Niemand will eine Mauer bauen.”
Walter Ulbricht, kurz vor dem 13. August 1961
Die Wasserwerfer seien lediglich zur Eigensicherung für die Beamten aufgestellt.
Siegfried Stumpf, Polizeipräsident, kurz vor deren Einsatz
Anzeigenerstattung
Wir erstatten Anzeige gegen Hernn Innenminister Heribert Rech, wegen Beleidung, übler Nachrede und Volksverhetzung.
Folgender Sachverhalt bildet hierzu den gegebenen Anlass:
Innenminister Rech zitierte in seiner öffentlichen Erklärung, die den Polizeieinsatz in der Nacht zum 1. Oktober rechtfertigte, dass man seitens der Polizei entsetzt von der Agressivität/Gewalttätigkeit der Demonstranten gewesen sei.
Bewertung dieses Sachverhalts:
Herr Rech zitierte dies nicht überparteilich wertfrei, ausgewogen als persönlichen Eindruck von betroffenen Polizeisprechern, sondern instrumentalisierte deren Einschätzung verallgemeinernd vor breitester Öffentlichkeit zur Rechtfertigung des brachialen Polizeieinsatzes der vorangegangenen Nacht. — Auch wenn vereinzelte Gewaltaktionen Minderjähriger nicht ausgeschlossen werden können, die in außergewöhnlicher Situation emotional noch nicht so gefestigt und belastbar wie Erwachsene sind, ist eine Verallgemeinerung auf die Demonstranten nicht zulässig.
Durch diese Zitierung hat der Landesinnenminister Zehntausende von Bürgern, die seit Wochen um die Friedfertigkeit ihrer Demonstrationen erfolgreich bemüht waren, beleidigt und verleumdet. Da er dies nicht auf einzelne Demonstranten einschränkte, betraf dies eine repräsentative, Generationen übergreifende Minderheit von Zehntausenden, wenn nicht gar über Hunderttausend Mitbürgern, die damit als gewaltbereite Gruppe aus der Bevölkerung kriminalisiert worden sind. Damit ist der Tatbestand der versuchten Voksverhetzung gegeben, ob aus Kalkül oder Fahrlässigkeit unbedachter Rede mag dahingestellt sein.
Wir erstatten Anzeige gegen Herrn Polizeipräsident Siegfried Stumpf, sowie gegen Unbekannt wegen vorsätzlicher, sowie grob fahrlässiger versuchter oder tatsächlicher Körperverletzung, sowie schwerer Körperverletzung und gegen Herrn Innenminister Rech wegen Verdachts auf Beihilfe hierzu durch etwaige Vorgaben des Innenministeriums.
Diese Anzeige geht auch gegen „unbekannt“, da die Polizeibeamten, die Reizgase und Wasserwerfer eingesetzt hatten, uns natürlich nicht bekannt sind. — Uns ist auch die Befehls/Dienstanweisungstruktur innerhalb solcher polizeilichen Einsätze unbekannt. Unsere Strafanzeige richtet sich daher auch gegen alle Verantwortlichen in der Dienstanweisungskette unterhalb und oberhalb der Ebene des Polizeipräsidenten.
Wir erstatten Anzeige gegen den vorgenannten Personenkreis wegen Verstoßes gegen die Verhältnismäßigkeit der Mittel im vorliegenden Polizei-Einsatz.
Zur Begründung:
Grobe vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzung, sowie schwere Körperverletzung.
Die versuchte oder tatsächliche Körperverletzung geschah nicht nur fahrlässig während des dramatischen Verlaufs des Einsatzes, sondern auch vorsätzlich, insofern Wasserwerfer nicht zufällig fahrlässigerweise auftauchten, sondern vorher geplant, einsatzbereit in Stellung gebracht worden waren.
Die versuchte oder tatsächliche Körperverletzung sowie schwere Körperverletzung geschah grob fahrlässig, insofern neben leichten und mittelschweren Verletzungen auch etwaige Fehlgeburten von Schwangeren, Traumata von Kindern und Jugendlichen, Herzinfarkte herzkranker Senioren, sowie Kreislaufzusammenbrüche von Reizgasallergikern, Knochenbrüche einschließlich Genickbrüche beim „Abräumen“ der Bäume durch Wasserwerfer u. ä. billigend in Kauf genommen wurden.
Verletzung der Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Die Verhältnismäßigkeit bezieht sich im vorliegenden Fall auf das Abwägen zwischen dem Rechtsgut auf Verfügung über das Privateigentum der Grundstückseigentümerin (Deutsche Bahn AG) gegenüber dem Rechtsgut auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Parkbesetzer und Demonstranten, sowie auf einer Berücksichtigung der gesamten vorliegenden Umstände.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen:
Die Parkbesetzer haben das Gesetz gebrochen, insofern sie, gegen das Verbot der Besitzerin, sich unerlaubt auf einem Privatgrundstück aufgehalten haben.
Für dieses Privatgrundstück bestand zuvor seit langem freie öffentliche Zugänglichkeit. — die Frage sei erlaubt, ob ein solches seit Generationen gewachsenes Gewohnheitsrecht freier Zuganglichkeit mit sofortiger Wirkung erlöschen kann.
Die Parkbesetzer haben kein Eigentum entwendet.
Die Parkbesetzer haben keine Sachbeschäfädigung verursacht.
Die Parkbesetzer haben im Gegenteil versucht, den bisherigen, seit Generationen gegebenen Wert des Grundstücks zu erhalten.
Die Parkbesitzer haben die Eigentümerin jedoch an der Ausübung ihres Nutzungsrechts einer neuen Wertschöpfung aus dem Grundstück gehindert. Regressanspruche an die Parkbesetzer für verloren gegangene oder verzögerte Gewinne können insofern gestellt werden.
Die Parkbesetzer waren unbewaffnet. Aufgrund ihrer Zusammensetzung von jung und alt, gesund und krank u. ä. war die Verletzungsgefahr bei polizeilicher Gewaltanwendung besonders hoch.
Der finanzielle Nachteil den die Grundstückseigentümerin bei längerer Parkbesetzung erlitten hätte, hätte sie nicht in eine existenbedrohende Situation gebracht, anders als etwa bei einem Landwirt, dessen Familie hungert und der durch Feldbesetzer an der Erntearbeit gehindert würde.
Ob der Grundstücksbesitzerin durch einen Baustopp tatsachlich ein Gewinn entgangen wäre oder lediglich das Wunschdenken nach einem Gewinn, wird je nach Meinung der Kontrahenten ganz verschieden beurteilt. Beide Seiten haben das Recht auf Meinungsfreiheit. Die tatsächlichen Gewinnaussichten könnten durch zahlreiche Gutachten bis zu einem ausreichendem Grade geklärt werden, von denen nicht wenige seitens der Betreiber von Stuttgart 21 vertuscht, bagatelllisiert oder ignoriert wurden.
Psychologisch kompliziert — und auch das gehört zu den zu berücksichtigenden Umständen — ist die Situation dadurch, dass sich die Parkbesetzer in einem gewissen Sinne legitim als Miteigentümer des Grundstückes fühlen können, dessen Zugang ihnen verwehrt ist, insofern der Staat den maßgeblichen Anteil an der Deutschen Bahn AG hält, und der Staat, so die offizielle Lesart, sind wir alle.
Unter diesen zu berücksichtigenden Umständen war die Durchsetzung tatsächlicher oder fiktiver sofortiger Wertschöpfung der Grundstücksbesitzerin durch brachiale Polizeigewalt mit Körperverletzung Hunderter von Menschen absolut unangemessen.
Angemessen und der Verhältnismäßigkeit entsprechend wäre gewesen, die Personalien der Parkbesetzer festzustellen, evtl. Bußgeldbescheide zu erstellen und über etwaige Regressansprüche der Deutschen Bahn zu informieren.
Ein solches kompliziertes logistisches Problem zu lösen, wäre Aufgabe eines vorangehenden polizeilichen Einsatzplanes gewesen, der sich an der Menschenwürde orientiert.
Epilog
“Jeder Baum ist heilig, Außenorgan des Menschen!”
Joseph Beuys
Wird das erschütternde Bild der fallenden Platane und der betroffenen Gesichter der anwesenden Menschen (auch Polizisten hatten Tränen in den Augen) eine Wende einleiten, eine Wende zu einem neuen Denken und Handeln in unserem Lande?
Diese Platane hatte den Nazi-Wahn und den Zweiten Weltkrieg überlebt und schmückte die Stadt, als 1949 das Grundgesetz verkündet wurde. Sie stand schon an ihrem Platz, als Rudolf Steiner im Vorbeginn der Michaelizeit 1919 das Grußwort sprach zur Eröffnung der ersten Waldorfschule in der Welt, die einen wichtigen Anfangsimpuls setzte für die Entwicklung eines Schulwesens in freier Trägerschaft. Diese Platane war vermutlich an diesem Ort schon längst gepflanzt, als Schiller und Goethe in unserem Lande noch dichteten und dachten.
Wir werden diese Bilder nicht vergessen.
Die Würde als Mensch der Betreiber von Stuttgart 21 wollen wir achten! Aber ihre Handlungsweise müssen wir verachten und erstatten entsprechend Strafanzeige!
Wir haben Verständnis und sind gleichzeitig unglücklich, wenn auf den Schwabenstreiks skandiert wird „Lügenpack, Lügenpack“. Die Lügen und Desinformationen der Betreiber und mancher Befürworter von Stuttgart 21, (im Größenwahn und Börsenwahn der Deutschen Bahn), stinken zwar zum Himmel, aber dennoch handelt es sich nicht um ein „Pack“, sondern um politisch anders denkende Mitmenschen, auch wenn man mit ihnen, wie in der derzeitigen Situation, Tacheles reden und vor den Kadi gehen muss!
Wer kann schon von sich sagen, dass er immer (wie Solschenizin uns ermutigt) in der erkannten Wahrheit gestanden habe? Niemand ist perfekt, wir haben als Menschen unserer Zeit alle unsere Schwächen und Wunden.
In diesem Sinne zum Schluss einige Worte über den Umgang mit politischen Gegnern, die Joseph Beuys, 1985 im Rahmen von, „Zeige deine Wunde, Sprechen über Deutschland“ in München ausgeführt hat:
…es ist Chaos in diesem Lande. Aber nun, wir können das ja noch bereinigen, wir sind ja nicht nachtragend, … wir sollten immer wieder den neuen Versuch machen, unseren Gegner von gestern als unseren Freund von morgen sehen zu können. Und ich denke, wenn das die tragende Substanz in den Menschen würde, dann wären alle Schwierigkeiten ausgeräumt, die ja entstanden sind durch Ideologisches, durch Machtabsichten, denn Ideologie ist etwas anderes als ein Ideenzusammenhang. Ideologie ist eine Beschönigungsphilosophie, die sowohl der westliche Privatkapitalismus für sich fleißig übt und geübt hat, als auch der (damals noch im Sowjetsystem und der DDR) real existierende Sozialismus mit seiner Beschönigungsphilosophie.
Achberg, den 11. Okt. 010
Günter Grieshaber Schwarzwaldweg 16
88239 Wangen
Christoph Klipstein Am Hang 2
88147 Achberg
Wenzel Massag Selmnau 19
88142 Wasserburg
Rainer Rappmann Hüttenweiler 8
88239 Wangen-Roggenzell
Siegfried Spangenberg Uhlandweg 2
88239 Wangen
gez.
Christoph Klipstein
Abschrift
Baden Württemberg
Staatsanwaltschaft Stuttgart
JS 96741/1o
Verfügung vom 19. Oktober 2010
Der Anzeige des Christoph Klipsein gegen
1. Innenminister Rech
wegen Beleidigung, übler Nachrede und Volksverhetzung
2. Polizeipräsident Stumpf und
3. namentlich nicht genannte Polizeibeamte
wegen Körperverletzung
wird keine Folge gegeben (§ 152 Abs. 2 StPO)
Gründe
Mit Schreiben vom 16. 10. 2010 hat Christoph Klipstein unter Bezugnahme auf einen Polizeieinsatz am 30. 9. und 01. 10. 20010 in den Mittleren Schlossgartenanlagen in Stuttgart im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben „Stuttgart 21“, dem Umbau des Hauptbahnhofs Stuttgart und der Bahnstrecke Stuttgart – Ulm Strafanzeige erstattet.
Der Anzeige ist die Bemerkung vorangestellt, die Anzeige sei eingefasst in einen religiös, ethisch philisophischen Rahmen, als sprachlich künstlerischer Versuch einen reinen Rechtsakt zugleich als künstlerische Aktion menschenwürdiger Anzeigenerstattung zu gestalten – im Sinne des auf das soziale Leben erweiterten Kunstbegriffes von Josepg Beuys, „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (inbegriffen Demonstranten und Polizisten). Sodann enthält die Anzeige Ausführungen zum 29. September als kirchlicher Gedenktag des heiligen Erzengels Michael und Betrachtungen zu späteren Erinnerungen an die „Michaelizeit des Jahres 2010“, Zitate des Reformators Jan Hus, von Alexander Solschenizyn, Rosa Luxemburg, Rudolf Steiner, Friedrich Schiller und Joseph Beuys, sowie aus einer Predigt für Solidarnosc und einem Aufsatz des Pater Jozef Tischner und enthält schließlich einen (ehrenrürigen und völlig deplazierten) Vergleich des angezeigten Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf mit Walter Ulbricht. Sachbezogen sind allenfalls eher allgemeine Erklärungen des Innenministers Rech, sowie allgemein formulierte Vorwürfe gegen Polizeipräsident Stumpf und Polizeibeamte wegen des Einsatzes in den Mittleren Schlossgartenanlagen, die in dem Vorwurf gipfeln, die Angezeigten hätten „etwaige Fehlgeburten von Schwangeren, Traumata von Kindern und Jugendlichen, Herzinfarkte herzkranker Senioren, sowie Kreislaufzusammenbrüche von Reizgasallergikern, Knochenbrüche einschließlich Genickbrüche durch gezielten Einsatz der Wasserwerfer in die Bäume u. ä. billigend in Kauf genommen“. Anschließend weist die Anzeige eher fernliegende rechtliche Bewertungen auf.
Dem Schreiben des Angezeigeerastatters können keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für strafbares Verhalten entnommen werden. Deshalb reicht sein Vorbringen nicht hin, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Angezeigten zu rechtfertigen. Das Eingehen auf das Vorbringen des Anzeigenerstatters im Einzelnen ist nicht geboten (vgl. BGH NStZ 2007, 283)
Häußler
Oberstaatsanwalt
An die Christoph Klipstein
Staatsanwalt Stuttgart Am Hang 2
Neckarstr. 145 88147 Achberg
70190 Stuttgart
den 30. 10. 2010
zu Hndn.
Herrn Oberstaatsanwalt Häußler
Betr.: Verfügung der Staatsanwalt Stuttgart vom 19. 10 2010
AZ 1 Js96741 / 10 152 II
Sehr geehrterr Herr Oberstaatsanwalt Häußler,
Ich bestätige hiermit den Erhalt o. a. Verfügung, dass unserer Strafanzeige vom 16. 10. 2010 keine Folge gegeben wird – Wie wir diese Verfügung zu bewerten haben und wie wir damit umgehen werden, wird Gegenstand unserer internen Beratungen sein.
Unabhängig davon möchte ich Ihnen meinen Dank aussprechen, dass Sie den doch recht unkonventionellen Rahmen im Sinne des erweiterten Kunstbegriffs von Joseph Beuys, in den unsere Strafanzeige eingefasst ist, unvoreingenommen zur Kenntnis genommen haben.
Dass Sie dabei zwei nebeneinander aufgeführte korrekte Zitate als deplazierten, ehrenrührigen Vergleich des Pozeipräsidenten Siegfried Stumpf mit Walter Ulbricht empfunden haben, tut uns außerordentlich leid, denn so sollen diese nicht verstanden werden:
Die vorangehenden Ausführungen bringen, religiös und philosophisch, mit Zitaten untermauert, eine allgemeine Lebenserfahrung unserer Zeit zum Ausdruck: Als „Gefangener“ einer Ideologie kommt der Mensch unter entsprechenden Umständen so zu sagen in die „Bedrouille“, nicht bei der Wahrheit bleiben zu können, ohne das Gesicht zu verlieren, wenn er Schritte seiner Ideologie in die Praxis umsetzen möchte. Und wenn einem ein solcher „Lapsus“ der Unwahrhaftigkeit unterläuft, befindet man sich plötzlich in einer Gesellschaft, mit der man lieber nicht verglichen werden möchte. *
Und genau ein solcher „Lapsus“ ist dem Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf unterlaufen und das ist nicht ehrenrührig, sondern äußerst bedauerlich. Und dazu gehören ja nicht allein die zitierten Worte, sondern auch der von ihm angeordnete Polizeieinsatz. Dabei handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt: In den 60ger Jahren waren derartige Polzeieinsätze keine seltene Ausnahme, die Nazivergangenheit war in vielen Bereichen, auch im Polzeiapparat, nur ungenügend aufgearbeitet. Ein ehemaliger Nazi konnte Bundeskanzler sein, sein Innenminister mit der Schlagzeile von sich reden machen,“Meine Beamten können nicht dauernd mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“. Die Liquidation eines wehrlos am Boden liegenden Demonstranten hatte den Freispruch des polizeilichen Täters wegen Notwehr zur Folge ( Benno Ohnesorg, 2. Juni 19967).
In den danach folgenden Jahrzehnten hatte sich die Polizei zu einer echten Bürgerpolizei entwickelt, die großes Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Bei Demonstationen herrscht inzwischen ein in Jahrzehnten gewachsener Konsens zwischen den polizeilichen Einsatzleitungen und den Verantwortlichen der Demonstrationen, bei drohenden Ausschreitungen, oft bedingt durch gewaltbereite, vermummte „Demonstrationstouristen“, deeskalierend zu wirken. Auch der Stuttgarter Polizeipräsident verhielt sich in dieser deeskalierenden Strategie in der Vergangenheit stets vorbildlich.
Um so unverständlicher sind die Geschehnisse vom 30. 9. und 1. 10. in den Schlossgartenanlagen. Fassungslos erlebten friedliche Demonstranten einen „Tabu-Bruch“. Was ging bei Herrn Stumph innerlich vor, was brachte diesen Wandel, diesen „Lapsus“?
Dieser Tabubruch kann verheerende Folgen haben und das Vertrauen in die Polizei demontieren, wenn er nicht gründlich aufgearbeitet wird. Die Tatsachen der Zitate von W. Ulbricht und S. Stumpf sprechen für sich. Der Hinweis auf diese Tatsachen soll nicht an der Ehre rühren, sondern wach machen. Schmerz macht wach! Das ist nicht per se deplaziert, auf deutsch: am falschen Platze sitzend, sondern möglicherweise ganz genau an der richtigen Stelle angebracht, wenn es darum geht, für die Tragweite dieses Tabubruchs zu sensibilisieren.
Auch wenn Sie diese Sichtweise nicht teilen, müssen Sie uns die Meinungsfreihet zugestehen, es so sehen zu können und so gemeint zu haben.
W. Ulbricht und S. Stumpf können und wollen wir nicht so ohne weiteres miteinander vergleichen: – Ulbricht könnte man aus staatsanwaltschaftlicher Sicht als notorischen Serientäter in der Gewaltanwendung, im Krieg gegen das eigene Volk ansehen. Bei Polizeipräsident S. Stumpf dagegen handelt es sich um einen hoffentlich einmaligen Ausrutscher mit einer Desinformation im Gefolge. Aber von diesem „Ausrutscher“ mussten Teilnehmer der Demonstration sagen, dass sie sich wie im Krieg fühlten, und Betreiber von Stuttgart 21 äußertern, dass sie solche Bilder nicht wieder sehen wollen.
Aber es besteht noch eine weitere Unvergleichbarkeit:
Von Walter Ulbricht oder später von Erich Mielke eine Entschuldigung zu verlangen oder überhaupt nur ein solches Ansinnen zu erwägen, erschien den damals Bertoffenen als völlig abwegig.
Unter anderen stellen wir an Siegfried Stumpf ein solches Ansinnen, er erscheint gewissermaßen als „würdig“ und „satisfaktionsfähig“, eine Entschuldigung aussprechen zu können. Ja eine Entschuldigung wird sogar erwartet, sie würde akzeptiert, und trotz geringer Hoffnung nicht einmal ganz ausgeschlossen. Eine solche Entschuldigung des Polizeipräsidenten und anderer Verantwortlicher hätte eine nachhaltige positive Resonanz und würde verlorengegangenes Vertrauen wiederherstellen.
Strafanzeigen gegen gewählte Regierungsvertreter und Polizeipräsidenten zu erstatten, ist alles andere als erfreulich. Es muss doch möglich sein, eine Entwicklung fortzusetzen, die unsere Republik in eine Richtung bringt, die sich primär an der Menschenwürde orientiert und nicht an irgendeiner Staats- oder Wirtschaftsideologie – wie der 1. Artikel des Grundgesetzes es fordert.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Christoph Klipstein
………………………………………………………………………………………………………………………..
* Hier können unzählige historische Beispiele solcher „Lapsusse“ aufgeführt werden: Staatsideologien und die jeder Perspektive solidarischer, arbeitsteiliger Weltwirtschaft hohnlachende „fixe Idee“, dass man ohne den Besitz der Rohstoffe anderer Länder nicht leben könne, führte vor den großen Kriegsausbrüchen unserer Zeit zu ofiziellen diplomatischen Lügen und Desinformationen, die ganze Bibliotheken füllen. – Die Ideologie oder fixe Idee, dass Atomkraft unverzichtbar und sicher sei, hatte als Begleiterscheinung, dass Salzstöcke regierungsamtlich, wider besseres Wissen, als sicheres Zwischenlager deklariert und gegenteilige Gutachten der Öffentlichkeit vorenthalten wurden.
An die
Staatsanwaltshaft Stuttgart Am Hang 2
Neckarstr. 145 88147 Achberg
70190 Stuttgart
den 3. 12. 2010
Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung vom 19. 10. 2010 in der Sache AZ 1 Js96741 / 10 152 II
I.
In einem Punkte haben wir keine generellen Einwände gegen die Einstellung der Ermittlungen: Durch die öffentlichen Äußerungen des Innenministers Rech fühlen uns zwar tatsächlich konkret beleidigt, aber diese Beleidigungen sind „pea nuts“ im Vergleich zu den Körperverletzungen, die zahlreiche Demonstrationsteilnehmer am 30.09 / 01.10.2010 erleiden mussten. Andererseits ist es natürlich unverständlich, dass ein Landesinnenminister Tausende seiner Mitbürger straflos öffentlich beleidigen und verunglimpfen darf.
II.
In allen weiteren Punkten möchten wir mit Nachdruck unsere Beschwerde vorbringen:
Der Vorwurf der Körperverletzung ist in der Tat in unserer Strafanzeige nicht konkret ausgeführt worden. Das haben wir durch die öffentliche Berichterstattung, die auch der Staatanwaltschaft bekannt sein dürfte, vorausgesetzt. Vorsorglich machen wir -die einschlägige Berichterstattung der Medien (insbes. Tagespresse wie z.B. SZ, Stuttgarter Nachrichten und Fernsehen wie z.B. ARD und ZDF), -die einschlägigen Beweismittel im entsprechenden Untersuchungsausschuss des Landtages von Baden-Württemberg und – die einschlägigen Beweismittel, die Gegenstand weiterer Ermittlungsverfahren in Stuttgart in dieser Angelegenheit sind zum Gegenstand unserer Strafanzeige.
Persönlich haben wir nicht unter der physischen Gewalt der Polizei Verletzungen davongetragen. Aber wir gehen davon aus, Straftaten auch dann zur Anzeige bringen zu können – oder auch aus Gewissensgründen zur Anzeige bringen zu müssen, wenn man nicht persönliches Opfer geworden ist.
Ganz entschieden zurückgewiesen werden muss, dass es sich hinsichtlich des Polizeieinsatzes in unserer Anzeige nur um allgemein formulierte Betrachtungen handele.
Wenn in einem Polizeieinsatz physische Gewalt „unkonkret und allgemein“ nach dem Gießkannenprinzip oder flächendeckend (z. B. durch den Einsatz von Wasserwerfern, Reizgasen und Gummiknüppel) gegen eine Versammlung von Menschen eingesetzt wird, muss der „worst case“, die schlimmste aller Möglichkeiten einkalkuliert und verantwortet werden – und zwar konkret als Möglichkeit!
Bei den Parkbesetzern und Demonstranten hat es sich in unserem Falle nicht um eine Versammlung von z. B. für solche Fälle durchtrainierten jungen Männern gehandelt, sondern, für die Polizei ersichtlich, um einen Querschnitt der Gesamtbevölkerung, mit Kindern, alten Menschen, Männern und Frauen mit breit gestreutem Gesundheitsprofil. d. h. mit gesunden und weniger gesunden Bürgerinnen und Bürgern. Daher ist es absolut verantwortungslos, es darauf ankommen zu lassen und damit billigend in Kauf zu nehmen, dass es – wie es dann leider auch geschehen ist – zu schwersten Verletzungen (z.B. Verlust der normalen Sehfähigkeit) kommen kann.
III.
Und nun zur Verhältnismäßigkeit der Mittel ( §§ 5 und 52 LPG). Darin heißt es: Unmittelbarer Zwang, also körperliche Gewalt „muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein“. Ferner darf sie nur zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angewendet werden.
Der „Zustand der Betroffenen“ ist in unserer Strafanzeige konkret ausgeführt worden. Zur „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ gehört es, dass Rechtsgüter durch unseren Rechtsstaat zu wahren und zu sichern sind. Die infrage kommenden Rechtsgüter, die es im Polizeieinsatz vom 30. 9. und 1. 10. 2010 zu sichern, zu bewahren oder wiederherzustellen galt, haben wir in unserer Anzeige konkret aufgeführt: Das Nutzungsrecht eines Grundstückseigentümers und das Recht auf körperliche Unversehrtheit von Personen, die von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen.
Verhältnismäßigkeit beinhaltet, dass die im Konflikt befindlichen Rechtsgüter in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt werden müssen. Ein etwaiger finanzieller Verlust der Grundstückseigentümerin (Deutsche Bahn) in der von ihr gewünschten Wertschöpfung aus dem Grundstück (Fällen von Bäumen als Einleitung von Baumaßnahmen) ist ersichtlich niedriger zu bewerten, als die körperliche Unversehrtheit von Personen, die von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen.
Im Rahmen ihres Auftrages, das Nutzungsrecht der Deutschen Bahn zu gewährleisten, hätte die Polizei gem. § 5 LPG unmittelbaren Zwang gegen Menschen nur dann anwenden dürfen, wenn auf anderem Wege die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht erreichbar gewesen wäre. Zur Vermeidung von Körperverletzungen sind insoweit ersichtlich nicht niederschwellige Maßnahmen (z.B. Wegtragen von Personen) in dem gebotenen Umfang angewendet worden.
Christoph Klipstein
Siegfried Spangenberg
Abschrift
Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart
Der Generalstaatsanwalt
Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, Olgastr. 2
70182 Stuttgart
——————————————————–
Datum 29. 12. 2010/e
Herrn Name Frau Unkel
Christoph Klipsein Durchwahl Tel. 0711 212 3366
Am Hang 2 Fax 0711 212 3383
88147 Achberg Aktenzeichen 23Zs 2328/10
(Bitte bei Antwort angeben)
Anzeigensache gegen Heribert Rech
Siegbert Stumpf
wegen Beleidigung
Ihre Beschwerde vom 06. 12. 2010 gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 19. 10. 2010 (Az.: 1Js 96471/10).
Sehr geehrter Herr Klipstein, die Beschwerde vom 16. 12. 2010 ist mir mit den einschlägigen Akten zur Entscheidung vergelegt worden. Nach dem Ergebnis meiner Überprüfung gebe ich ihr keine Folge. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. 12. 2010 entspricht der Sach- und Rechtslage.
Ihrer Strafanzeige wurde zu Recht und mit zutreffenden Gründen, auf die ich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehme, mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für strafbare Handlungen gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge gegeben.
Ergänzend sei bemerkt, dass der Tatbestand der Volksverhetzung nur vorübergehende Gruppierungen, wie zum Beispiel Teilnehmer einer Demonstration, nicht erfasst.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Unkel
Oberstaatanwältin