Manche Kollegen scheinen die grundlegenden Spielregeln der juristischen Profession nicht zu beherrschen – mir treibt so etwas immer wieder die Zornesröte ins Gesicht, und heute war es mal wieder so weit:
Ich hatte schon am 07.02.2012 über 2 Entscheidungen des Sozialgerichts Berlin berichtet, die sich mit der Möglichkeit des Teilbeitritts zu einem Krankenkassenvertrag beschäftigen (Teilbeitritte zu Krankenkassenverträgen möglich! « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes).
Natürlich sind in meinem Bericht nicht nur die Aktenzeichen der beiden Entscheidungen angegeben, sondern auch die Fundstellen im Internet. Ich halte dies nicht nur für eine Selbstverständlichkeit, sondern auch für das Zeichen einer ordentlichen juristischen Arbeit. Wenigstens richtiges und vollständiges Zitieren eines Urteils sollte man schon während des Studiums gelernt – und mit den Jahren nicht vergessen und nicht verdrängt haben.
Heute schlage ich die einschlägige Fachzeitschrift eines Gesundheitshandwerks auf und finde dort den Artikel eines Kollegens zu demselben Thema. Inhaltlich will ich mich hier nicht damit auseinandersetzen, dass mache ich gesondert – wenn ich mich wieder beruhigt habe.
In diesem Text versucht der Kollege, nicht nur die beiden Entscheidungen des Sozialgerichts Berlin zu besprechen, sondern auch noch zwei weitere Entscheidungen, die von Landessozialgerichten gefällt wurden, und eine Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund. Und zu keiner der fünf Entscheidungen gibt es auch nur eine ordnungsgemässe Quellenangabe, noch nicht einmal ein Aktenzeichen.
Man kann sich über (fast) jede Rechtsauffassung streiten, aber es kann keine zwei Meinungen dazu geben, dass man Fundstellen ordnungsgemäss angibt.
Ich für meinen Teil erwarte von einem Kollegen, den ich ernstnehmen soll, wenigstens, dass er solche grundlegenden Prinzipien der wissenschaftlichen Arbeit nicht nur beherrscht, sondern auch anwendet.
Punkt!
Photo: www.pixelio.de
Martin Knies
8. März 2012
Sobald die Zornesröte Ihre Gesichtszüge wieder verlassen hat, seien Sie doch so nett und reichen Sie eine ordnungsgemäße Quellenangabe des Artikels nach, deren Quellenlosigkeit Sie so zur Erregung bringt.
Mit kollegialem Gruß aus dem Glashaus!
stscherer
8. März 2012
Ich denke nicht, dass dies fair wäre. Das „Vergessen“ von Zitaten ist schliesslich ein Phänomen, welches nicht nur Zeitungsartikel, sondern auch Doktorarbeiten erfasst hat.
RA Bernd
8. März 2012
Das ist ja wohl ein Unterschied, ob ich ein Urteil bespreche und es weder korrekt benenne noch eine Fundstelle angebe oder ob ich wie ein gewisser Doktorand etwas zitiere, ohne die Quelle anzugeben.
stscherer
8. März 2012
Das Eine ist schlechtes Handwerk, das Andere wissenschaftlicher Betrug – Beides ist kein Ruhmesblatt für einen Juristen.
Steven
9. März 2012
Da gebe ich ihnen vollkommen recht. Richtiges Zitieren erleichtert das Wiederfinden und richtiges Schreiben das Lesen (ordnungsgemäß und nicht ordnungsgemäss :-)).
stscherer
9. März 2012
Es gibt bestimmte Gründe, warum man deutsche Sonderzeichen im Netz vermeiden sollte…
Laurenz
9. März 2012
Wenn ein Rechtsanwalt nicht korrekt die Quellen angibt (und auch kein AZ) bedeutet das in der Regel, dass er dem anderen Anwalt sagen möchte, wie toll er nicht ist. Was er denn nicht alles weiß – und, unglaublicherweise – sogar die Gerichte seiner Meinung sind. Er lässt dann absichtlich das AZ weg, weil er dem anderen unbewusst unterstellen will, „diese Meinung ist doch selbstverständlich“.
stscherer
9. März 2012
Hier geht es nicht um das Zitieren von Entscheidungen in der schriftsätzlichen Auseinandersetzung, sondern um den Inhalt eines Artikels in einer nichtjuristischen Fachzeitschrift. Dort nimmt ein Verfasser, der nicht oder nicht sauber zitiert, dem Leser die Möglichkeit, die von ihm kommentierten Gerichtsentscheidungen selbst zu prüfen.
Man könnte bösartig denken und glauben, hiermit solle der Leser direkt zur (natürlich angegebenen) Kanzleiadresse des Verfassers geführt werden. Allerdings sollte ein Artikel in einer Fachzeitschrift doch wohl eher der Information und Diskussion und nicht der Mandantenakquise dienen.