Und noch einmal: Die Auswirkungen des Rundschreibens des Bundesversicherungsamt und die Frage nach der Kündigung von bestehenden und dem Abschluss von neuen Verträgen

Posted on 13. April 2011

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© Margit Völtz / pixelio.de

Ich hatte mich ja schon einmal mit dem im Internet von meinem verehrten Kollegen Burkhard Goßens veröffentlichten Artikel auseinander gesetzt: Rundschreiben des BVA: Sollte man es wirklich nicht zum Anlass nehmen, Verträge mit unzulässigen Klauseln zu kündigen? « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes.

Dieser Artikel ist nun praktisch unverändert in der neuesten Ausgabe 04/2001 der Orthopädieschuhtechnik erschienen – und dies fordert eine weitere Stellungnahme meinerseits geradezu heraus, zumal die neuesten Entwicklungen im Bereich der Auseinandersetzung zwischen der Landesinnung für Orthopädieschuhtechnik Nord und der City BKK auch bei denjenigen, die an den bestehenden Verträgen unverändert festhalten wollen (oder sogar ähnlich angreifbare Verträge ohne Not neu abschliessen), eigentlich ein Umdenken verlangen würde:

Die Ausgangslage: Ein Verband hat – genauso wie einige andere Verbände – einen Beitrittsvertrag nach §127 SGB V abgeschlossen, und diesem sind eine Reihe von Mitgliedsbetrieben beigetreten. Dieser Vertrag enthält allerdings Klauseln, die das Bundesversicherungsamt als rechtswidrig ansieht und die die beigetretenen Betriebe benachteiligen. Die Betriebe fordern nun von dem Verband die Kündigung des Vertrages und die Aufnahme von Verhandlungen über einen neuen Vertrag, der ihre Rechte besser wahrt als der abgeschlossene Vertrag. Die Verantwortlichen des Verbandes aber lehnen eine solche Kündigung ab, und zwar mit dem Argument, mit der Kündigung des Vertrages würden auch die Vertragsbeziehungen der Betriebe hinfällig und die Betriebe könnten nicht mehr versorgen. Nun, ein bedrohliches Szenario, aber ist es wirklich so?

Das Bundesversicherungsamt schreibt in seinem Rundschreiben vom 28.12.2010 kurz, klar und eindeutig: „Auf der Leistungserbringerseite wird hierdurch (durch einen Vertragsbeitritt) der jeweils Beitretende eigener Vertragspartner der Kasse. Und weiter: Gemäß § 127 Abs. 2a SGB V können Leistungserbringer den Verträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V zu gleichen Vertragsbedingungen beitreten. Auf der Leistungserbringerseite wird hierdurch der jeweils Beitretende eigener Vertragspartner der Kasse. Allerdings besteht kein Anspruch auf einen auf einzelne Vertragsklauseln beschränkten Vertragsbeitritt (bspw. einzelne Produktgruppen). Sollten die Kassen dies zulassen, wird ein neuer Vertrag geschlossen, zu dem wiederum ein Vertragsbeitritt eines Dritten nach § 127 Abs. 2a SGB V möglich ist.
Festhalten kann man also nach meiner Einschätzung Folgendes:

  • Jeder einzelnen Leistungserbringer, der einem Vertrag beigetreten ist, hat mit der Kasse ein eigenständiges Vertragsverhältnis.
  • Kündigt der Leistungserbringer den Vertrag, bleibt der Vertrag der anderen Vertragspartner (einschliesslich des Verbandes) bestehen.
  • Kündigt der Verband, wirkt diese Kündigung nur dann für den jeweiligen Betrieb, wenn er sich dieser Kündigung anschliesst – vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Regelungen, die der Betrieb durch seinen Beitritt akzeptiert hat.
Ich gebe zu, dass man dies auch anders sehen kann, aber mir fällt es schwer, eine abweichende Meinung auch nur ansatzweise juristisch zu begründen – jedenfalls nach der Lektüre des §127 SGB V und dem Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes.
Aber selbst wenn meine Rechtsauffassung falsch sein sollte, kann ich die angeblich so grossen Risiken für die Betriebe nicht sehen:
  • Der durch den Verband gekündigte Vertrag wäre ein solcher, den die jeweilige Krankenkasse eigentlich beibehalten will. Warum sollte sie also den Leistungserbringern das (vermeintliche) Recht nehmen, aufgrund dieses, für die Kasse günstigen Vertrages weiterhin zu liefern? Damit würde sie ja die Betriebe geradezu in die Solidarisierung mit ihrem Verband treiben. Deswegen gibt es aus der Sicht der Kassenseite überhaupt keinen Grund, den Vertrag nicht weiter gegenüber den „willigen“ Betrieben zu leben.
  • Und selbst wenn die Krankenkasse dies nicht zulassen würde: der Vertrag ist ja mit demselben Inhalt mit anderen Partnern abgeschlossen worden, wobei sämtliche dieser anderen Verträge Beitrittsverträge sind; der Betrieb kann also jederzeit den Beitritt zu einem anderen Vertrag erklären und hat dann dieselben – schlechten – Lieferbedingungen wie bisher.
Trotzdem sieht Herr Kollege Goßens die Sache anders: Eine schnelle Kündigung der bestehenden Verträge erscheine verlockend, um mit neuen rechtskonformen Verträgen die derzeitigen Benachteiligungen für die Leistungserbringer zu beseitigen, trotzdem warne er Verbände und Zusammenschlüsse von Leistungserbringern, die für ihre Mitglieder Ursprungsverträge geschlossen haben, davor, vorschnell Verträge zu kündigen.
Diese These begründet er begründet damit, dass  bei einem Beitritt zu einem bestehenden Vertrag die Vertragsparteien keine Möglichkeit hätten, den Inhalt dieses bereits geschlossenen Vertrages zu bestimmen. Das jedoch entspricht nicht der Meinung des Bundesversicherungsamtes, wie oben gezeigt. Doch Rechtsanwalt Goßens hat zwei weitere Argumente:

 

  • Soweit ursprünglich ein Verband einen Vertrag für seine Mitglieder mit einer gesetzlichen Krankenversicherung geschlossen habe, dürften sämtliche seinerzeit benannten Mitgliedsbetriebe nach der Kündigung des Verbandsvertrages vertragslos sein und hätten damit keine Versorgungs- und Abrechnungsbefugnis.
  • Anders verhalte es sich für diejenigen Leistungserbringer und deren Verbände, die nach § 127 Abs. 2 a SGB V später einem (etwaig zu kündigenden) Vertrag beigetreten seien: da die Beigetretenen einen eigenen Vertrag mit der GKV zu den Bedingungen der Ursprungsvertrages geschlossen hätten und selbst Vertragspartner seien, dürften diese durch Beitritt geschlossenen Verträge weiterhin bei einer Kündigung des Ursprungvertrages Bestand haben.
Ich gebe zu, dass ich mit der ersten These nicht übereinstimme, denn ich denke, dass die alten „Rahmenverträge“ gesetzeskonform als Beitrittsverträge nach neuem Recht auszulegen sind – schliesslich können Leistungserbringer, die bisher nicht über ihre jeweiligen Verbände im Rahmen dieser Verträge leistungsberechtigt waren, diesen Verträgen nun beitreten. Läge Herr Rechtsanwalt Goßens richtig, dann würde dies zum Ergebnis führen, dass es bei der Kündigung eines solchen Vertrages plötzlich zwei unterschiedliche Gruppen gäbe: Leistungserbringer die ihren Leistungsanspruch verlieren, und Leistungserbringer, die aufgrund ihres Beitritts nach der Gesetzesänderung weiterhin Vertragspartner blieben – und dann nach der Auffassung des Bundesversicherungsamtes sogar über Verträge verfügen, die wiederum beitrittsfähig wären. Dies wäre ein verwirrendes Ergebnis.
Herrn Rechtsanwalt Goßens zweite These hingegen teile ich uneingeschränkt. Allerdings hat dies dann auch die Konsequenz, dass zunächst die Kündigung eines Beitrittsvertrages für den beigetretenen Leistungserbringer keine Folgen hat – er bleibt weiterhin Vertragspartner der Krankenkasse, damit liefer- und abrechnungsberechtigt und kann sozusagen „in gesicherter Position“ die neuen Verhandlungen abwarten. Und deswegen bin ich nicht der Auffassung, dass Kündigungen unbedingt vermieden werden sollten, denn derzeit sind doch nur Verträge im Streit, die nach neuem Recht geschlossen wurden, und deren Kündigung durch Verbände damit nach beiden Rechtsauffassungen keine Beendigung der Vertragsverhältnisse befürchten lassen.
Im übrigen muss man immer berücksichtigen, dass die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts durchaus Recht und Gesetz in überaus hohem Masse verpflichtet sind; dies wiederum hat – jedenfalls nach der ganz neuen Meinung des Landssozialgerichts Schleswig-Holstein zur Folge, dass bei (hinreichend wahrscheinlichem) rechts- oder vertragswidrigem Verhalten der Kassen sehr früh der Weg in den erfolgreichen einstweiligen Rechtsschutz und damit die vorläufige Lieferberechtigung ohne konkreten Vertrag möglich ist – eine interessante neue Option, der man durchaus Beachtung schenken sollte.
Problematisch könnte die Verhandlungsposition der Verbände allerdings dann werden, wenn die Krankenkassen darauf verweisen, dass die Leistungserbringer ja weiterhin die gekündigten Verträge „leben“. Wenn man daraus allerdings ableitet, dass eine Kündigung besser ganz unterbleiben sollte, dann zeigt dies nach meiner Meinung eine recht eingeschränkte Sicht, welche Möglichkeiten ein Verband bei verständiger Würdigung des Rundschreibens des Bundesversicherungsamtes hat, erfolgreiche neue Vertragsverhandlungen zu führen, auch wenn es schon andere – nämlich ungünstige und unter Umständen teilweise rechtswidrige, aber trotzdem wirksame – Verträge gibt. Es verlangt nur ein anderes Denken der Verbände, um die Vertragsverhandlungen zu führen, sie müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen, und dazu werden sie wohl oder übel aus der reinen Verwaltung von Rechtsbeziehungen herauskommen und zukünftig alle Möglichkeiten nutzen müssen, die einem Vertragspartner zur Verfügung stehen:
  • Vertragsverhandlungen selbst, und dies auch durchaus kontrovers, mit eigenen Vertragsvorschlägen und mit der Konsequenz des Scheiterns
  • Mitglieder- und Versichertenmotivation mit dem Ziel der Unterstützung der eigenen Verhandlungspositionen
  • Presse- und Lobbyarbeit zum Aufbau von Entscheidungsdruck bei den Krankenkassen
  • Durchsetzung von Rechtspositionen notfalls auch vor den Gerichten
Diese Aufzählung ist nicht vollständig, es sind nur einige Beispiele; all das mag ungewohnt sein, aber diesen Anpassungsprozess müssen die einzelnen Gruppierungen nun einmal vollziehen, wenn sie ihre Existenzberechtigung behalten wollen.

Selbstbewusst in Vertragsverhandlungen kann man dabei gehen, wenn man vorab auch geklärt hat, wie man reagiert, wenn die Gegenseite ebenfalls selbstbewusst in solche Vertragsverhandlungen geht – und dann zB. darauf verweist, dass man mit den bestehenden Verträgen recht gut leben könne, diese ja ungekündigt seien und man sie deshalb nach dem guten alten Satz „pacta sunt servanda“ weiterhin leben wolle. Spätestens dann kommt doch die Frage: Was nun – denn jemand, der die Konsequenz seines Handelns fürchtet, sollte lieber gar nicht erst (ver-)handeln. Und was ist die logische Konsequenz eines Scheiterns der Vertragsverhandlungen? Die Kündigung des Vertragsverhältnisses. Deswegen sind die Ausführungen des geschätzten Kollegens an dieser Stelle nicht zielführend, denn man muss sich über den zweiten Schritt Gedanken machen, bevor man den ersten tut.
Aber dieser zweite Schritt ist genau der, von dem er abrät. Nur, und dies frage ich mich ernsthaft, was soll denn ein Verband sonst tun, wenn er sich mit seiner Auffassung in den Vertragsverhandlungen nicht durchsetzt? Mit den Schultern zucken und das sodann böse Spiel des Vertragspartners akzeptieren? Ob das den Interessen der vertretenen Leistungserbringern dient, möchte ich dann mal bezweifeln. Also wäre ein „Plan B“ vielleicht doch ganz hilfreich.

Oder sollte man setzen auf das Prinzip Hoffnung, welches Herr Rechtsanwalt Goßens mit seinem Hinweis auf das von einer Krankenkasse zu erwartende rechtskonforme Verhaltens zum Ausdruck bringt? Mit Verlaub, das ist für mich in Kenntnis des Verhaltens einiger Krankenkassen schwer nachvollziehbar; natürlich, die meisten Kassen werden ihrer Stellung als Körperschaften des öffentlichen Rechts gerecht, doch diejenigen Krankenkassen, die derzeit massiv die Leistungserbringer und ihre Verbände in den Vertragsverhandlungen und dort mit unzulässigen Vertragsklauseln bedrängen, sind doch genau diejenigen, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie Rechtskonformität durchaus einseitig zu ihren Gunsten interpretieren. Ohne Vollständigkeit der Liste beanspruchen zu wollen, nenne ich nur mal ein paar Auseinandersetzungen:
  • Der Kampf um die Rückforderung von Schaleneinlagen mit der Barmer GEK.
  • Die ambitionierten Einsätze der AOK TaskForce Niedersachsen gegen Leistungserbringer.
  • Die einseitige Verlängerung der Versorgungsintervalle der Knappschaft.
  • Die diktatorische Festlegung von entgeltpflichtigen Partnern für den elektronischen Kostenvoranschlag durch die Barmer GEK.
  • Die Verweigerung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens durch die City BKK trotz eindeutigen Hinweis auf die Rechtslage sowohl durch das BVA als auch durch das Sozialgericht Hamburg.
Wie gesagt, auch diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn bestimmte Krankenkassen sich ihrer Stellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts wieder bewusst würden, doch allein darauf seine Hoffnungen zu setzen ist im besten Fall naiv.

Gleiches gilt im übrige für den Wunsch, es mögen nun nur noch Vertragsentwürfe vorgelegt und Verträge geschlossen werden, die sich an die Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes halten. Schon die ersten Verträge, die in Kenntnis des Rundschreibens des BVA geschlossen wurden, führen diesen Wunsch ad absurdum: man nehme die Vereinbarungen zwischen dem Landesinnungsverband für Orthopädieschuhtechnik Nordrhein-Westfalen und der AOK Rheinland/Hamburg zur Hand und stelle fest: Nichts hat sich geändert – und dieser Stillstand wird dann noch, wie wir im Folgenden sehen werden, sogar noch als Erfolg hingestellt.

Aber bei allen Kontroversen mit den Thesen meines geschätzten Kollegens, ich will nicht an Allem etwas mäkeln; auch wenn sich die 5% Obergrenze für Vertragsstrafen natürlich auch aus dem Rundschreiben des BVA ergeben, so teile ich seine weitergehenden Hinweise : Künftige Verträge dürfen beispielsweise für nicht zertifizierte Leistungserbringer keine Abschläge mehr vorsehen, sondern sollten Anreize enthalten, sich zertifizieren zu lassen. Auch die viel zu hoch angesetzten Vertragsstrafen sollten zukünftig der Vergangenheit angehören. Nur, ob diese Anpassungen so widerstandslos von den Krankenkassen akzeptiert werden, wie er sich das vorstellt? Ich denke nicht.

Und soweit am Ende der Ausführungen die Hoffnung steht auf zukünftig marktgerechte und faire Vertragspreise, damit der hohe Leistungsstand der Gesundheitshandwerke zum Wohle der Patienten aufrecht erhalten bleibe, so schliesse ich mich dieser Hoffnung durchaus an, habe allerdings die Befürchtung, dass der dort propagierte Weg nicht unbedingt zu diesem Ziel führen wird.

Auf welch tönernen Füssen übrigens die Argumentationen derjenigen stehen, die nun unbedingt Verträge halten (oder sogar neu abschliessen) wollen, selbst wenn die vom Bundesversicherungsamt zu Recht kritisierten Klauseln erhalten, zeigt sich, wenn man die OSt 04/2011 ein bisschen weiterblättert: dort feiert sich die Innungsverband für Orthopädieschuhtechnik Nordrhein-Westfalen für den Vertragsabschluss mit der AOK Rheinland/Hamburg – und verteidigt sich im Grunde genommen nur für die (berechtigte) Kritik aus den eigenen Reihen, wie man hier umfänglich nachlesen kann:

Unstrittig ist nämlich, dass dieser Vertrag – der im übrigen wohl ohne Abstimmung mit der ebenfalls betroffenen Landesinnung Nord zustande gekommen sein soll – nach der Veröffentlichung des BVA-Rundschreibens unterzeichnet worden ist und trotzdem mindestens eine Klausel enthält, die das BVA ablehnt: diejenige der Zertifizierungspflicht. Und nun muss man schon ein bisschen zwischen den Zeilen des Artikels lesen: 

  • 75% der Betriebe in NRW sollen den Vertrag unterzeichnet haben – wenn man den aktuellen Zahlen von der Homepage des LIV NRW traut, dann gibt es also knapp 150 von 594 dort organisierten Betrieben, die den Vertrag nicht gezeichnet haben.
  • 90% der dortigen Mitgliedsbetriebe in NRW sollen zertifiziert sein – was wiederum dazu führt, dass knapp 60 Mitglieder des dortigen Verbandes durch eine Vereinbarung ihres eigenen Verbandes von der Versorgung der Versicherten einer Kasse ausgeschlossen werden, die nach den dortigen Angaben immerhin 40% des Gesamtversichertenaufkommens der organisierten Leistungserbringer ausmacht – und dies trotz der deutlichen Worte des Bundesversicherungsamtes. Die dortigen Ausführungen der Aufsichtsbehörde zeigen übrigens, dass nicht etwa der Kampf gegen die zwangsweise Zertifizierung ein „alter Hut“ ist, sondern eher derjenige, dieses Verfahren unbedingt durchdrücken zu wollen – auf wessen Initiative und für welche Interessen auch immer.

Insgesamt klingen die Ausführungen, wie erfolgreich man verhandelt habe, dann doch ein wenig wie das berühmte „Pfeifen im Walde“. Und die inhaltlich nicht zu rechtfertigenden Angriffe gegen andere Verbände machen dies auch nicht überzeugender: der LIV NRW sollte sich eher einmal Gedanken darum machen, warum sich seine Mitglieder inzwischen nicht mehr hinreichend vertreten fühlen und sich deswegen anderweitig organisieren.

Sicherlich ist es immer einfacher, sich an den Starken einer Gruppe zu orientieren, aber mittel- und langfristig zeigt sich die Substanz einer Vereinigung immer daran, wie sie mit den schwächeren Gliedern umgeht: in diesem Fall also, wie ein Verband denjenigen eine angemessene Marktteilhabe ermöglicht, die eben nicht zertifiziert sind und die nun vom Markt durch ihren eigenen Verband definitiv ausgeschlossen sind.

Insoweit bleibt abzuwarten, ob nicht andere Gruppen zwar nicht schon jetzt einen Vertrag mit der AOK Rheinland/Hamburg abgeschlossen haben, aber vielleicht mit einem Abschluss nachziehen, der den Rechtsauffassungen der Aufsichtsbehörde näher kommt als derjenige, den man voreilig unterzeichnet hat – und der auch die Interessen der schwächeren Betriebe angemessen wahrt. Insoweit unterliegen die bei dem LIV NRW Handelnden nämlich einem Irrtum: man muss nicht unbedingt der Erste sein, der unterzeichnet, denn die Krankenkassen dürfen weitere Verhandlungspartner nicht einfach auf den Beitritt zu bestehenden Verträgen verweisen, sondern müssen trotz solcher Vereinbarungen fair und ernsthaft verhandeln – insbesondere dann, wenn die bestehenden Verträge angreifbare Klauseln enthalten: all dies lässt sich unproblematisch im Rundschreiben des Bundesversicherungsamts nachlesen.

Auch die weitere Rechtfertigung, dass ohne Vertrag per se eine Versorgung nicht mehr möglich sei, greift nicht mehr; die Landesinnung Nord, die noch intensive Verhandlungen mit der AOK Rheinland/Hamburg führen wird, hat dies gerade gegenüber der City BKK durchexerziert – es hätte da einem solchen grossen Verband wie dem LIV NRW durchaus gut angestanden, ähnlich intensiv auf faire und gerechte Verträge zu drängen wie die Norddeutschen es tun.

Mein Fazit: nur die eingeschränkte Sicht auf die tatsächlich vielfältigen Möglichkeiten und Chancen, in Vertragsverhandlungen zu agieren und gegen benachteiligende Verträge vorzugehen führt dazu, dass man sich nicht nur in sein Schicksal ergibt und bestehende Verträge trotz ihrer gravierenden Mängel unbeanstandet beibehält, sondern sogar noch neue, mit ähnlich gravierenden Mängeln behaftete Verträge ohne Not abschliesst.

Es fehlt an einem Umdenken, an einer Wahrnehmung der neuen Möglichkeiten und an dem notwendigen Beharrungsvermögen, um nicht mehr ständig den Kassen hinterher zu laufen, sondern selbst am Markt der Möglichkeiten teilzunehmen und dort ein ausgewogenes Vertragsgefüge zu erreichen. Diesen misslichen Zustand auf Leistungserbringerseite gilt es, schnell und effektiv zu überwinden – mit einem einfachen weiter so wie bisher wird dies nicht zu schaffen sein.

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