Lange hat es gedauert, mehrere Gerichtsverfahren und eine Schlichtung vor dem Sozialgericht Hamburg waren erforderlich, aber jetzt gibt es ihn, den neuen Vertrag zwischen der Landesinnung für Orthopädieschuhtechnik Nord und der BKK vor Ort zur PG 31.
Ich dokumentiere diesen nachfolgend als pdf – und darf die Interessierten gleich beruhigen: es handelt sich bei diesem Vertrag nicht um ein solches Monster wie zB. denjenigen zwischen dem ZVOS und der BEK, sondern um ein handliches Vertragswerk mit 13 Seiten und 2 Zeilen sowie einer Anlage, nämlich der Preisliste.
Und dabei konnten an vielen Stellen zusätzliche Regelungen in dieses insgesamt kurze und knackige Vertragswerk aufgenommen werden, die zu einer vertraglichen Vereinbarung „auf Augenhöhe“ zwischen den Vertragsparteien führen.
An dieser Stelle möchte ich den beiden Verhandlungsführern ausdrücklich danken: sowohl Herr Heiko Schumacher für die Krankenkasse als auch Herr Reiner Schumacher für die Landesinnung haben – bei allen inhaltlichen Auseinandersetzungen und emotionalen Hoch- und Tieflagen, die das Verfahren so über die Jahre hatte – einen hervorragenden Job gemacht, wie man wohl Neudeutsch sagen würde und am Ergebnis auch sehen kann.
Im Einzelnen enthält der Vertrag folgende bemerkenswerte Besonderheiten:
- Der Vertragsbeitritt erfolgt unbürokratisch, ohne dass man sich durch diverse Anlagen wühlen muss.
- Der elektronische Kostenvoranschlag wird befürwortet, ist aber für die Leistungserbringer nicht vorgeschrieben.
- Die Leistungserbringer haben keine zusätzlichen Standards zu erfüllen, insbesondere keine Zertifizierung. Die Betriebe haben lediglich ein angemessenes Qualitätsmanagement zu unterhalten.
- Das gesamte Verfahren der Versorgung des Versicherten erfordert keine besonderen Verwaltungsmassnahmen, deswegen fehlt es dem Vertrag auch an den sonst bei anderen Verträgen im Übermass vorhandenen Anlagen.
- Verzug tritt für die Krankenkasse 5 Kalendertage nach Eingang der Rechnung ein.
- Der Vertrag enthält in §§13/14 ein umfänglich geregeltes Verfahren zur Konfliktlösung.
Bitte beachten Sie, dass der Vertrag nach §1 Nr.3. ausschliesslich für Mitglieder der Landesinnung für Orthopädie-Schuhtechnik Nord mit Betriebssitz in den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gilt.
Ob diese Klausel unwirksam ist und deswegen auch andere Leistungserbringer das Recht zum Beitritt zu diesem Vertrag haben, müssen diese selbst klären.
Und hier der Vertrag als pdf:
Photo: www.pixelio.de
Jörn Schreyer
19. November 2013
Es ist richtig, dass der neue Vertrag zur PG 31 der Landesinnung für Orthopädie-Schuhtechnik Nord und der BKK vor Ort wohltuend kurz und auch einigermaßen präzise formuliert ist.
Trotz des besonderen Lobes für die die Verhandlungsführer ist anzumerken:
Der Vertrag gilt ausdrücklich „ausschließlich für Mitglieder der Landesinnung für Orthopädie-Schuhtechnik Nord“ (§ 1, Ziff. 3 des Vertrages). Damit steht diese Regelung klar im Widerspruch zur Regelung des § 127 Abs. 2a SGB V, die ein „freies Beitrittsrecht“ für alle berechtigten Leistungserbringer (§ 126 SGB V) vorsieht. Das war sogar die Intention des Gesetzgebers zur nachträglichen Einführung dieser Bestimmung in das Gesetz. Ärgerlich ist dabei, dass in einem Sonderrundschreiben der „Nordost-Innungen“ vom 16. Oktober 2013 vorgegaukelt wird, dass alle präqualifizierten Leistungserbringer dem Vertrag beitreten könnten.
Die Regelung ist nach diesseitiger Auffassung klar gesetzwidrig. Anzumerken ist, dass hier wohl versucht wird, auf die frühere Vertragssystematik der „Verbandsverträge“ zurückzukommen.
Eindeutig rechtswidrig, inzwischen auch gerichtlich bestätigt und festgestellt, ist die Regelung des § 7, Ziff. 4 des Vertrages, die verpflichtend vorsieht, dass in den Betrieben der Leistungserbringer ein „ausreichendes und angemessenes Qualitätsmanagementsystem zu unterhalten“ ist. Das Gericht hat festgestellt, dass mit der Bestimmung des § 126 SGBV eine abschließende gesetzliche Regelung besteht.
Diese Anmerkungen mögen zum Nachdenken anregen !
Jörn Schreyer
für die Firma Fußorthopädie Paul Hast GmbH, Hamburg-Bergedorf
stscherer
19. November 2013
Oh, Guten Abend, Herr Schreyer,
irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie unter zu wenig Beachtung leiden, anders sind Ihre ständigen Angriffe insbesondere gegen die Landesinnung Nord, aber auch gegen den ZVOS, nicht zu verstehen. Aber bitte haben Sie Verständnis, ich kann wirklich nicht jede Mail beantworten…
Auch wenn Sie sich inzwischen um „Juristensprache“ bemühen, Ihre Gedanken zeigen leider in vielen Punkten nicht die notwendige inhaltliche Durchdringung – dabei wäre eine vernünftige Zusammenarbeit der Leistungserbringer nicht zuletzt in den Verhandlungen mit den Krankenkassen von grösserem Nutzen als das Führen solcher Kleinkriege, wie Sie sie vom Zaune brechen wollen.
Natürlich ist der Vertrag mit der BKK vor Ort „wohltuend“ kurz und natürlich ist er nicht nur „einigermassen“ präzise, sondern tatsächlich sehr präzise formuliert.
Und ob auch entgegen der Einschränkung auf Mitglieder der Verhandlungspartner weitere Leistungaerbringer oder Krankenkassen diesem Vertrag beitreten können, ist keine Frage, die meine Partei oder ich zu klären haben – wir führen nämlich gerade keinen Kleinkrieg gegen irgendjemanden, sondern wir führen sachliche und zielführende Verhandlungen zugunsten unserer Mitglieder – und nicht für Dritte. Ich habe übrigens eine eigene Meinung zu der Wirksamkeit dieser Klausel (nicht zuletzt deswegen enthält der Vertrag auch eine salvatorische Klausel), aber bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen diese erst mitteilen würde, wenn Sie mir ein diesbezügliches Mandat erteilen… was Sie sicherlich nicht tun werden, sind Sie sich doch juristisch selbst genug.
Und so bleibt es dem Leistungserbringer, zu dessen Sprachrohr Sie sich machen, unbenommen, mit der BKK vor Ort zu klären, ob auch er diesem Vertrag beitreten kann oder nicht – wenn ihm dieser Vertrag gefällt.
Ihre Ausführungen zu dem Vertragsinhalt des „ausreichenden und angemessenen Qualitätsmanagementsystems“ zeigt leider noch einmal eindringlich, dass es Ihnen um eine persönliche Fehde mit den Krankenkassen und nicht um ein angemessenes Vertragsergebnis mit den Krankenkassen auf Augenhöhe geht, denn der §126 SGB V lässt eigentlich jeden Juristen erkennen, dass ein solches „ausreichendes und angemessenes Qualitätsmanagementsystem“ Voraussetzung der Norm ist – und wird im übrigen auch von anderen gesetzlichen Regelungen sowieso gefordert. Aber dabei handelt es sich, wie Sie unschwer erkennen würden, wenn Se es denn wollten, eben gerade um keine Zertifizierung – und genau darum geht es: die Verhinderung der Zwangszertifizierung und die Rückführung auf diejenigen Systeme, die sowieso erforderlich und gefordert sind.
Aber jetzt wünsche ich Ihnen einen entspannten (Fussball-) Abend – und deutlich mehr Gelassenheit in Ihren Bemühungen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Stefan Scherer
Jörn Schreyer
20. November 2013
Einen schönen guten Morgen, Herr Scherer,
ich hoffe, Sie hatten einen geruhsamen Abend mit einem unterhaltsamen Fußball-Länderspiel.
Lieber Herr Scherer, ich bin von Ihren Ausführungen enttäuscht. Wenn Sie von „Krieg“ reden, wenn auch nur von einem „kleinen“, kann ich nur, gut ausgeschlafen, müde mit dem Kopf schütteln.
Ihren Appell an eine Zusammenarbeit sollten Sie lieber an Ihre Mandantschaft richten. Wir, die Geschäftsführer der Firma Hast und ich, haben am 25.08.2010 und ein zweites Mal am 3.12.2010 intensiv versucht, die auch heute noch in der Landesinnung und des Leistungsgemeinschaft e.V. bestimmenden Herren zur Zusammenarbeit zu bringen. Ich selbst bin dazu nach Hamburg angereist. Die Angebote unsererseits wurde schlicht nicht angenommen. Nochmals haben wir schriftlich, trotz einer „wüsten“ Attacke eines Vorstandsmitgliedes des Leistungsgemeinschaft e.V., mit Schreiben vom 5.10.2013 Zusammenarbeit angeboten. Antwort faktisch: Mit euch Rede und korrespondier ich nicht mehr, obwohl beide Geschäftsführer der Firma Hast Mitglied des Leistungsgemeinschafts e.V. sind. Also, guter Herr Scherer, Ihr Ansatz stimmt nicht.
Hinsichtlich des Beitritts zu dem offenbar mit Ihrer Hilfe ausgehandelten Vertrags mit der BKK vor Ort: Wenn die Firma Hast Lust hat, wird sie diesen Vertrag oder auch dann einen eigenen nutzen – ohne die Klausel „Qualitätsmanagementsystem“ nutzen.
In einem relativ schwierigen Verfahren um die zusätzliche Zertifizierungsregelungen in den Verträgen, nämlich einer Fortsetzungsfeststellungsklage, hat mindestens ein recht bekannter Kammervorsitzender, Dr. Bretkreuz, meine Ausführungen zur Sache gut verstanden und für
„inhaltlich durchdrungen“ akzeptiert. Ich zitiere einfach aus dem Gerichtsprotokoll. Die Anmerkungen des Gerichts spielen spiegeln unsere Ausführungen wider.
„Die Klägerin ist dem Vertrag deswegen wirksam beigetreten, weil die entgegenstehende Vorschrift in “ 2 Abs. 4 bis 6 des Vertrages nach Auffassung der Kammer gegen höherrangiges Recht verstoßen hat. § 2 Abs. 4 bis 6 des Vertrages aus 2011 regelt Anforderungen, die der Sache nach in den Bereich von § 126 SGB V fallen. Dass die Klägerin die dort geregelten Anforderungen erfüllt, ist indes bereits durch die Zertifizierung durch die Firma PQS Hilfsmittel (Zertifikat vom 7.3.2011) hinreichend festgestellt. Diese Feststellung ist kassenübergreifend und abschließend erfolgt. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, es habe sich um Vereinbarungen über die Qualität der Hilfsmittel (§ 127 Abs. 2 Satz SGB V) gehandelt. Die beiden DIN-Normen, um die es geht, regeln Anforderungen an den Produzenten und nicht an das Produkt. Es handelt sich beide Male um Qualitätsmanagement-Systeme, die den Produzenten bestimmte Verhaltensanforderungen
auferlegt. Ein Gegenbeispiel wäre es etwa, wenn in dem Vertrag die Verwendung bestimmter Materialien oder einer bestimmten Beschaffenheit der Hilfsmittel geregelt würde; dies ist vorliegend allerdings nicht der Fall.“
Lieber Herr Scherer, dazu sollten Sie auch die Entscheidung des BSG vom 10.03.2010 – B 3 KR 26/08 R, BSGE 106, 29, besonders Ziff. 23 lesen, die der Richter ausdrücklich als Hinweis zitiert hat. Dort werden Sie auch finden, dass Ihre Formulierung „ausreichendes und angemessenes Qualitätsmanagementsystem nicht ausreichend konkret sind. Mit Verlaub, es handelt sich nach meiner Auffassung um „Worthülsen“, die gerade in der „Juristensprache“ bekanntlich oft verwendet werden.
Feststellen m ich noch: Ich bin ganz gelassen in meinem Bemühen gerade und zielstrebig zu handeln. Von so kleinen und nickeligen Attacken lasse ich mich wenig beeindrucken. Das lockert lediglich auf.
Ich grüße Sie und wünsche Ihnen, dass Sie recht viel Freude an Ihrer Arbeit haben.
Jörn Schreyer
stscherer
20. November 2013
Nun, lieber Herr Schreyer, Entspanntheit behaupten und entspannt sein sind zwei paar Schuhe – wie Sie ja hinreichend deutlich machen mit Ihrem Blogeintrag, in dem Sie noch nicht einmal zwischen einem ausreichenden und angemessenen QM-System und einer Zertifizierung unterscheiden. Sonst würden Sie ja nicht ständig den nicht nur von Ihnen geführten Kampf gegen die Zertifizierung anführen, wenn es um QM-Systeme geht. Nicht vergessen, Herr Schreyer, nur weil eine bestimmte Voraussetzung nicht verlangt werden kann, sind automatisch sämtliche anderen Forderungen auch rechtswidrig. Vielleicht beschäftigen Sie sich insoweit mal mit den gesetzlichen Regelungen zur Produkthaftung insbesondere im Bereich Medizinprodukte.
Der Firma Hast – für die Sie ja wohl inzwischen das Sprachrohr bilden – ist es im übrigen unbenommen, den Versuch zu unternehmen, dem neuen BKK vor Ort-Vertrag beizutreten, oder einen anderen Vertrag auszuhandeln; Letzteres ergibt sich ja eindeutig aus dem Gesetz.
Ob diese Alleingänge allerdings im Ergebnis besonders produktiv sind oder eher dem von den Kassen gewünschten Prinzips des „Teile und Herrsche“ in die Karten spielen, mag man durchaus verschieden sehen.
Ihre Auffassungen, was Worthülsen sind und was nicht, in allen Ehren, aber unbestimmte Rechtsbegriffe sind nun einmal das tägliche Brot eines Juristen.
Mit freundlichem Gruss
Stefan Scherer
Rüdiger Hinz
22. November 2013
Aus der Sicht eines Leistungserbringers sieht das Ganze doch ganz anders aus. Wenn man den hochgelobten Vertrag mit der BKK vor Ort, abgesehen von den Rahmenbedingungen, mal von den Preisen beleuchtet, muss man objektiv sagen, dass der Preis bei der Herstellung von orthop. Schuhwerk gar nicht so gut sind. Der liegt nun tatsachlich um ca. 12% unter den kalkulierten Preisen aus dem Jahre 2002. Vielleicht mag dieser Wert für den einen oder anderen Kollegen je nach Betriebsausrichtung differieren, aber die Preise für die Schuhzurichtungen sind nicht der Leistung entsprechend.
Das nur nebenbei. Was wir „Leistungserbringer“ wünschen, sind saubere Verträge mit einer leistungsgerechten Bezahlung, mehr nicht. Wir, die Fa. Hast, haben lange genug darauf gedrängt, dass die Verbände handeln. Leider ist in der Hinsicht zu wenig unternommen worden. Nun sind wir bereits 2 Jahre kein Innungsmitglied mehr, und ich muß sagen, so schlecht geht es uns dabei gar nicht. Wir haben z. B. Innungsbeiträge sparen können und haben dabei genau so wie unsere Kollegen, die noch Innungsmitglieder sind, auch von den gleichen miesen Verträgen des ZVOS gezehrt. Die außergewöhnlichen Leistungen des ZVOS sollen wir nun auch noch in Form eines um weitere 3 Jahre laufenden Vertrages mit der BEK TKK über die PG 31 weiterleben.
Wir haben das große Glück, auf Herrn Schreyer als Berater zurückgreifen zu dürfen, der uns bis heute wertvolle Tipps im Umgang mit den Sozialversicherungsträgern geben konnte. Es wäre wünschenswert es gäbe so einen Informationsfluss und Engagement von den Verbänden gegenüber Ihren Mitgliedern. Ist vielleicht garnicht gewollt, aber was nicht ist, kann ja bekanntlich noch werden. So haben Sie, Herr Scherer, nun das Mandat über die Leistungsgemeinschaft Orthopädie Schuhtechnik e. V in Hamburg Vertragsverhandlungen mit div. Krankenkassen zu führen bzw. zu begleiten. Ich wünsche für unsere Kollegen und uns bestmögliche Ergebnisse und Ihnen bei der Umsetzung viel Erfolg.
Mit freundlichem Gruß
Rüdiger Hinz
Geschäftsführer Fußorthopädie Paul Hast GmbH
stscherer
23. November 2013
Lieber Herr Hinz,
zunächst einmal finde ich es sehr schön, dass Sie augenscheinlich nicht die Abteilung Attacke vertreten wie Herr J. Schreyer – zu dessen „Wirken“ ich dann doch ein deutlich differenziertere Meinung habe als Sie.
Für Ihre guten Wünsche bedanke ich mich natürlich ganz herzlich und hoffe, dass die laufenden und anstehenden Vertragsverhandlungen tatsächlich erfolgreich sind und am Ende zu Verträgen führen, die für die Leistungserbringer Nutzen bringen.
Dabei möchte ich aber gerne die Erwartungen ein bisschen dämpfen – auch Ihre, Lieber Herr Hinz; und dazu lassen Sie mich mit einem Beispiel beginnen: ich habe vor kurzem den Verkauf eines Reihenhauses notariell begleitet, wobei der Kaufpreis 120.000 EUR betrug. Das baugleiche und praktisch identisch ausgestattete und im Zustand zum Zeitpunkt des Verkaufs vergleichbare Haus ist im Jahre 2000 (Sie erinnern sich vielleicht an die EXPO 2000 in Hannover) für 400.000 DEM verkauft worden… der heutige Verkäufer war übrigens nicht böse und lamentierte über den Preisverfall, sondern freute sich, einen für den heutigen regionalen Immobilienmarkt günstigen Erlös erzielt zu haben.
Was will ich damit sagen: es ist ein bisschen naiv, einfach Preise aus dem Jahre 2002 mit den heutigen Preisen zu vergleichen, denn die Rahmenbedingungen des Jahres 2002 entsprechen nun einmal nicht denjenigen des Jahres 2013. Und das gilt eben nicht nur für Immobilien.
Natürlich gebe ich Ihnen Recht, dass die Verbände Ihres Handwerks die Chancen und Risiken der gesetzlichen Veränderungen im Vertragswesen mit den Krankenkassen nicht hinreichend analysiert und für sich genutzt haben und sich stattdessen lieber wahlweise mit der goldenen Vergangenheit, mit sich selbst oder mit dem Streit untereinander beschäftigt haben. Fragen Sie doch mal in Hannover nach, warum man dort auf meine Beratung keinen Wert mehr legt – die dortige Einschätzung über Ihre und meine Mahnungen dürfte weitgehend identisch ausfallen, obwohl wir uns doch augenscheinlich in der sonstigen Einstellungen schon signifikant unterscheiden.
Denn ich bin der Auffassung, dass man (mutmassliche) Versäumnisse aus der Vergangenheit nicht so einfach wettmachen kann – und schon gar nicht durch Auseinandersetzungen vor Gericht. Mir hat mal ein weiser Kaufmann gesagt, dass man Geld vor der Ladentheke und nicht vor den Gerichtsbarrieren verdient – und als Rechtsanwalt und Notar mit inzwischen einiger Berufserfahrung kann ich ihm nur zustimmen. So ist im übrigen auch letztendlich der BKK vor Ort – Vertrag entstanden: als sich der „Pulverdampf“ der Gerichtsentscheidungen verzogen hatte, war beiden Seiten klar, dass man es nun einmal mit einer konstruktiven Verhandlung versuchen sollte… das Ergebnis liegt zur allgemeinen (sachlichen) Diskussion auf dem Tisch.
Und da kommen wir zu Ihren Auseinandersetzungen mit den Kassen: es war und ist wichtig, das Sie – aber auch Andere, Herr Hinz, die der Herr Schreier gerne vergisst – auch vor den Gerichten Widerstand gegen Krankenkassen leisten. Es ist schön, wenn man das nicht braucht, aber manchmal muss es eben sein, und dann sollte man es auch nicht scheuen. Aber am Ende bringt den Erfolg nur eine konstruktive Verhandlung mit den Kassen, denn nur dadurch bekommen die Leistungserbringer „Brot statt Steine“, nämlich saubere Verträge mit einer leistungsgerechten Bezahlung – und mal weg von Ihren Hochrechnungen der Preise des Jahres 2002: der Vertrag mit der BKK vor Ort erfüllt zunächst einmal das Kriterium eines sauberen Vertrages, der Rechte und Pflichten der Vertragspartner auf Augenhöhe regelt, er enthält Mechanismen, die den Leistungserbringer vor unberechtigten Angriffen und Regressen schützt, und er enthält entgegen der „marktschrei(y)erischen“ Polemik keine Zugangserschwernisse, die nicht auch der Gesetzgeber fordert. Bleiben also die Preise – und von denen sagen mir eine ganze Reihe von Leistungserbringern, dass diese zwar nicht das Optimum sind („Besser geht immer!“), aber dass sie durchaus Ihr Kriterium, lieber Herr Hinz, einer leistungsgerechten Bezahlung erfüllen.
Schön übrigens, dass Sie die Innungsbeiträge sparen und trotzdem an den Verträgen partizipieren – auch wenn diese vielleicht suboptimal sind. Immerhin haben Sie Ihnen ja den Marktzugang ermöglicht – was Ihre Berufskollegen auch zu Ihren Gunsten mit ihren Beiträgen finanziert haben, und denen Sie jetzt mit persönlicher Haftung drohen lassen. Bei allem Respekt, lieber Herr Hinz, ich verstehe Solidarität ein bisschen anders. Und ich bin bei dieser Argumentation natürlich auch nicht mehr verwundert, dass Herr Schreyer sich über eine Klausel im BKK vor Ort – Vertrag aufregt, mit dem Ihnen nicht automatisch der Zugang eröffnet wird.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Ihr Stefan Scherer
Rüdiger Hinz
26. November 2013
Hallo Herr Scherer,
toll, dass Sie so prompt geantwortet hatten. Und dann auch noch so umfangreich. Schön, dass sie auch erkannt haben, daß ich nicht immer der Abteilung „Attake“ zugehöre. Ich wollte Sie auch keineswegs angreifen, denn schließlich arbeiten Sie ja für mich wenn auch nur indirekt. Einige Ihrer Ausführungen habe ich zwar nicht ganz verstanden(Hauskauf), andere wie die der „Solidarität“ betreffend sind meinem Geschmack nach nicht im Rahmen. Darüber kann ich jedoch ohne weiteres hinwegsehen. Bedauerlicherweise, da gebe ich Ihnen Recht wäre eine Beratung in Hannover dringend angeraten gewesen. So könnten Sie dann auch auf Ihre Ergebnisse verweisen. Wir haben nun Ergebnisse, und die sind vorzeigbar.
Mit freundlichem Gruß
Rüdiger Hinz